I. Einführung

Zweifellos: Die Blockchain-Technologie entfaltet erst allmählich ihr ungeheuerliches Potential. Basierend auf dem Ansatz eines "unbestechlichen Registers als Quelle der Wahrheit" kann die in ihrer Simplizität geniale Technologie innerhalb weniger Jahrzehnte nahezu jeden Intermediär ersetzen, der als dritte Partei Vertrauen gegen Geld zur Verfügung stellt. Dies zumindest in der Theorie. Zentralbanken, Privatbanken, Behörden, Kaufleute, Notare oder Vermittler – alle Intermediäre könnten als zentrale Vertrauensinstanzen durch die Blockchain ausgetauscht werden. Leistungen wie Internetsuche, Onlinehandel, Informationsaustausch und digitale Identität können durch diese Technologie neutral und wahrheitsgemäß, vor allem aber (nahezu) kostenlos erbracht werden. Es ist nicht mehr erforderlich, dass Menschen Daten gegen Dienstleistungen mit einer zentralen Instanz oder einem Unternehmen tauschen. Eine besondere Ausprägung der Blockchain-Technologie findet sich in den sog. virtuellen/digitalen/kryptografischen Währungen (z.B. Bitcoin) wieder. Der revolutionäre Ansatz dieser in der Realität angekommenen Cypherpunk-Fantasie aus den 1990er Jahren basiert auf einer staats- und vor allem zentralbankfreien Verwaltung und Kontrolle der Währung durch das Benutzerkollektiv. Doch auch die Anwendungen im Bereich der "Smart Contracts" oder "Dezentraler Autonomer Organisationen" (DAO) sind überaus zukunftsträchtig und vielversprechend.

Der Beitrag vermittelt einen ersten Überblick zu den Möglichkeiten infolge von sicherer Aufzeichnung und des Abrufs von Transaktionen mit Kryptowährungen, so dass die Einordnung der Begriffe wie Blockchain (II.), Bitcoin (III.), Smart Contract (IV.) oder DAO (V.) im rechtlichen Kontext gelingt.

II. Blockchain

Die Blockchain ist eine Art dezentrales Buch ("distributed ledger"), auf das jeder digitale Buchhalter zur Prüfung einer Transaktion zurückgreifen kann. Sie funktioniert auf der Grundlage eines sog. Peer-to-Peer-Netzwerks, also direkt und unmittelbar zwischen den Anwendern, wodurch eine sichere Aufzeichnung und der Abruf der Transaktionshistorie ermöglicht werden (anschaulich: Prior ZAP F. 2, S. 651, 653; Schrey/Thalhofer NJW 2017, 1431, 1432). Ein solches Zentralregister kann dabei beispielsweise die Grundlage für sog. kryptografische Währungen wie Bitcoin liefern.

 

Hinweis:

Eine Blockchain kann aber öffentlich-rechtliche Register (z.B. Grundbücher, Vorsorgeregister, Handelsregister etc.) ersetzen. Denkbar sind auch Einsatzmöglichkeiten im Bereich des E-Government (z.B. e-Estonia in Estland).

Über die Implementierung der Blockchain in eine sog. Smart-Contract-Software wird der Vollzug von Recht ohne menschliche Intermediäre sichergestellt. In einem synallagmatischen Rechtsverhältnis verhindert beispielsweise die Pflichtverletzung des Schuldners die Erfüllung durch den Gläubiger. Der Smart-Contract-Vorgang kontrolliert und dokumentiert die Einhaltung von rechtlichen Voraussetzungen und entscheidet über die "Freischaltung" des Vollzugs eines Rechtsgeschäfts nach dem Grundsatz "true or false". Durch Automatisierung des Leistungsaustauschs mit einem intelligenten, auf einer Blockchain basierten Vertragsmanagementsystem könnten beispielsweise Ausfälle durch den Schuldnerverzug nahezu vollständig ausgemerzt werden. Smart Contracts könnten damit die teure und personalintensive Forderungsdurchsetzung entbehrlich machen. Wer nicht leisten kann oder will, ist "false" und erhält keine Gegenleistung: Wer die Leasingrate für sein Fahrzeug nicht zahlt, kann damit nicht mehr fahren. Wer den Rundfunkbeitrag nicht zahlt, kann nicht mehr fernsehen. Alles ohne Mahnung, Vollstreckungstitel und Gerichtsvollzieher (hierzu unten IV.).

III. Bitcoin – virtuelle Währungen aus rechtlicher Sicht

Die medial wohl bekannteste Ausprägung der Blockchain-Technologie sind sog. kryptografische Währungen ("digital currencies") wie Bitcoin, Ether oder IOTA, um nur einige zu nennen. Das Bitcoin-Register besteht im Kern aus einem Zahlungssystem und Geldeinheiten, die dezentral in einem Rechnernetz mithilfe einer Software geschöpft und verwaltet werden (Schrey/Thalhofer NJW 2017, 1431). Eine dezentrale Datenbank dokumentiert und authentifiziert alle Transaktionen der Teilnehmer in einer Blockchain. Anwender können über sog. Clients Währungseinheiten kaufen oder verkaufen (derivativer Erwerb). Die dezentrale Verwaltung über das anwenderbezogene Peer-to-Peer-Netzwerk garantiert den Schutz vor dem Zugriff von Hackern. Die singuläre Individualisierung der Währungseinheiten garantiert den Schutz vor dem Kopieren von Geld. Die Begrenzung des energieintensiven "Mining" (Schürfen von Bitcoin, sog. originärer Erwerb) auf die Anzahl von 21 Millionen Einheiten garantiert den Schutz vor Wertverfall und Inflation (Konzept nach einem Whitepaper eines Kollektivs, veröffentlicht unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto, https://bitcoin.org/bitcoin.pdf ).

 

Hinweis:

Die steigende Anwenderzahl, Anonymität und zahlreiche legale wie illegale Portale ("Silk Road") führten im vergangenen Jahr zu einem starken Wertanstieg des Bitcoin ("Rush...

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