Normadressaten des anwaltlichen Berufsrechts (BRAO) sind nur Rechtsanwälte. Anbieter können durch die Bereitstellung und Ermöglichung der Nutzung ihrer Plattformen aber mittelbar in den Schutzbereich der Regelungen gelangen. Einerseits, weil die mit ihnen vertraglich verbundenen Anwälte selbst den Vorschriften unterliegen und das Angebot des Anbieters folglich nur in Anspruch nehmen können, wenn sie hierdurch keine berufsrechtlichen Verstöße begehen. Andererseits sollen teilweise auch Nicht-Anwälte in den Anwendungsbereich gelangen, nämlich dann, wenn ihr Verhalten Anwälten zugerechnet werden kann (so wohl allein: LG Berlin NJW-RR 2001, 1143, 1144). Eine solche Zurechnung könnte sich daraus ergeben, dass der Anwalt die vom Anbieter geschuldete Bereitstellung und Nutzung der Plattform zur Akquise von Mandaten tatsächlich nutzt bzw. in Anspruch nimmt.

 

Praxishinweis:

Die Einhaltung der berufsrechtlichen Vorschriften wird praktisch vor allem durch die lauterkeitsrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geschützt. Die Verletzung von solchen Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung, die das Marktverhalten regeln, ist ein Rechtsbruch gem. § 3a UWG, die ihm zugrundeliegende geschäftliche Handlung ist nach § 3 UWG unzulässig ("Vorsprung durch Rechtsbruch"). Verursacher solcher Verletzungen können mit § 8 Abs. 1 UWG auf Beseitigung und Unterlassung in Anspruch genommen werden. Klagebefugt sind nach § 8 Abs. 3 UWG vor allem auch Mitbewerber, die Rechtsanwaltskammern sowie Verbraucherzentralen. Daneben können standeswidrige Aktivitäten berufsrechtlich durch die jeweils zuständige Rechtsanwaltskammer im Rahmen eines berufsrechtlichen Aufsichts- bzw. Rügeverfahrens (§ 74 Abs. 1 BRAO) verfolgt und sanktioniert werden. Auch die Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens (§ 113 Abs. 1 BRAO) ist möglich.

Es ist daher gleichermaßen für Anbieter und Anwälte von erheblichem Interesse, dass der Betrieb digitaler Akquiseplattformen bzw. ihre Nutzung mit dem anwaltlichen Berufsrecht vereinbar ist. Wegen der Nähe zur Vermittlung von Mandaten sowie zu entsprechenden auf das Angebot ausgerichteten bzw. vom Angebot ausgehenden Werbemaßnahmen sind mögliche Konflikte mit dem Vermittlungsverbot des § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO und dem Verbot unsachlicher Werbung des § 43b BRAO zu prüfen.

1. Vermittlungsverbot, § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO

Nach § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO sind die "Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, gleichviel ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Dritten gleich welcher Art" untersagt.

a) Inhalt und Grenzen

Die Vorschrift verbietet die Vermittlung von Aufträgen gegen Abgabe eines Teils der Gebühren oder jeglicher sonstigen Vorteile, sei es gegenüber dem Anwalt oder Dritten. Anwälte sollen nach dem Zweck der Norm nicht in einen Wettbewerb bei der Erlangung von Mandaten treten (Kilian, in: Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 49b Rn 159) und Mandate nicht gewerblich "gekauft" oder "verkauft" werden (BT-Drucks 12/4993, 31). Die Vorschrift ist Ausfluss der in §§ 1, 3 Abs. 1, 43a Abs. 1 BRAO verkörperten Unabhängigkeit des Rechtsanwalts (BGH NJW 1968, 2204). Als unabhängiges Organ der Rechtspflege habe er keinen kaufmännischen Charakter (Eckertz-Höfer NJW 2013, 1580; Zuck NJW 2013, 1582). Neben der berechtigten und ganz offensichtlichen Frage nach der Zeitgemäßheit der vorgenannten Ansichten (der Anwalt, der heutzutage nicht kaufmännisch denkt, wird in einer leeren Kanzlei sitzen bleiben) ist die verfassungs- und europarechtliche Wirksamkeit der Norm höchst umstritten (Kleine-Cosack, BRAO, 7. Aufl. 2015, § 49b Rn 2). Obwohl ihre Aufrechterhaltung im Zuge einer weiteren zeitgemäßen Liberalisierung des Rechtsanwaltsberufs höchst zweifelhaft ist, müssen sich die verschiedenen Akquiseplattformen sowie die beteiligten Anwälte de lege lata an ihr messen lassen, wobei die Vorschrift dabei verfassungs- und europarechtskonform – und damit grundrechtsfreundlich – auszulegen ist (Kleine-Cosack, BRAO, 7. Aufl. 2015, § 49b Rn 4).

b) Eröffnung des Anwendungsbereichs

Nach dem Gesetzeswortlaut untersagt § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO die Vermittlung von "Aufträgen" und meint hiermit "Mandate".

 

Hinweis:

Die Norm soll den Preiswettbewerb und den gewerblichen Handel mit Mandaten verhindern, die Weitergabe von Mandaten ist jedoch möglich und soll es auch bleiben. Das Verbot erfasst daher etwa nicht das praxisübliche, selten rein altruistisch motivierte, gegenseitige Empfehlen von Kollegen oder Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern.

Alle Vereinbarungen, die der Rechtssuchende und der Anwalt treffen, sind auf die Begründung eines Auftrags- bzw. Mandatsverhältnisses gerichtet. Das gilt auch, wenn sie hierfür eine Online-Akquiseplattform zu Hilfe nehmen und unabhängig vom Geschäftsmodell des jeweiligen Anbieters.

Offen ist dagegen, ob das Vermittlungsverbot auch auf kostenfreie Erstberatungen anzuwenden ist, die Rechtssuchender und Anwalt über eine Plattform vereinbaren. Die Erstberatung darf kostenlos erfolgen (AnwGH NRW BeckRS 2014, 13284; Gaier/Wolf/Göcke...

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