Die Anpassung der Rechtsanwaltsgebühren in den letzten 40 Jahren erfolgte stets nach demselben Ritual:

  • Sie passt nicht in die politische Landschaft,
  • sie kommt zu spät,
  • sie ist unzureichend,
  • sie erfolgt am Schluss einer Legislaturperiode,
  • die Länderjustizminister machen ihre – erforderliche – Zustimmung von einer Erhöhung der Gerichtskosten abhängig.

Auch die aktuelle Gebührenanpassung im vorletzten Jahr hat das Schicksal ihrer Vorgänger geteilt. Es hat sich leider auch nichts dadurch geändert, dass die Berufsverbände (Bundesrechtsanwaltskammer und Deutscher Anwaltverein) rechtzeitig und gemeinschaftlich die Politiker an das Versprechen der Gebührenanpassung erinnert haben, welches vor den Bundestagswahlen 2009 gemacht worden war.

Die erste politische "Großtat" der großen Koalition bestand darin, die Diäten zu erhöhen und zugleich eine automatische Anpassungsklausel zu beschließen, nach welcher die Diäten der Bundestagsabgeordneten – ebenso wie bei den Richtern der Bundesgerichte – an die Einkommensentwicklung angepasst werden. Auf diese Weise wird die stets peinliche und in der Öffentlichkeit mit Misstrauen beobachtete Diskussion über Diätenerhöhungen in Zukunft ausgeschlossen.

Die beabsichtigte gesetzliche Regelung für Diätenerhöhung und deren automatische Anpassung erscheint nicht unangemessen, da Parlamentarier keine geregelte Arbeitszeit haben und nach jeder Bundestagswahl damit rechnen müssen, dass sie ihr Mandat verlieren. Die Kritik an den Diäten erscheint daher unangemessen, zumal in der freien Wirtschaft Vergütungen gezahlt werden, die das Vielfache dieser Diäten ausmachen.

Niemand regt sich darüber auf, dass Fußballtreter und deren Übungsleiter pro Jahr Millionenbeträge kassieren und dies ebenfalls damit begründen, dass sie nur für eine begrenzte Zeit ihren Beruf ausüben können.

Die Begründung der Parlamentarier für die Diätenerhöhung und deren automatische Anpassung trifft auch und vor allem für die Anwaltsvergütung zu. Der wesentliche Kostenfaktor einer Rechtsanwaltskanzlei besteht in den Personalkosten, so dass es auch durchaus angebracht ist, die Rechtsanwaltsgebühren der Einkommensentwicklung und/oder den Lebenshaltungskosten anzupassen. Eine jährliche Anpassung, wie es die Diätenerhöhung für Bundestagsabgeordnete vorsieht, ist für die Rechtsanwaltsgebühren sicherlich unpraktikabel.

Sinnvoll ist es jedoch, die Rechtsanwaltsgebühren in regelmäßigen Intervallen von fünf Jahren der Einkommensentwicklung und der Steigerung der Lebenshaltungskosten anzupassen. Die quälende und oft demütigende und herabsetzende Diskussion über die Rechtsanwaltsgebühren würde in Zukunft entfallen. Auch das immer wieder von Politikern geäußerte Argument, durch die Steigerung der Lebenshaltungskosten würden sich die Streitwerte und damit auch die Rechtsanwaltsgebühren automatisch erhöhen, ist eine "Milchmädchenrechnung". Dieses Argument greift bereits in allen Verfahren nicht, in denen die Gebühren nicht nach Streitwert abgerechnet werden. Schließlich wird übersehen, dass die Gebührentabelle degressiv ist. Eine Verdoppelung des Streitwerts führt keineswegs zu einer Verdoppelung der Rechtsanwaltsgebühren. Bei einem Streitwert von 10.000,00 EUR beläuft sich die gegenwärtige 1,0-Gebühr auf 558,00 EUR, bei einem Streitwert von 20.000,00 EUR liegt diese Gebühr bei 742,00 EUR.

Erst dann, wenn sich der Streitwert um 30 % erhöht hat, erreicht man bei einem Streitwert von 10.000,00 EUR von 558,00 EUR die nächste Gebührenstufe mit 604,00 EUR.

Gravierender ist der Unterschied bei den niedrigen Streitwerten. Bei einem Streitwert von 2.000,00 EUR mit einer 1,0-Gebühr i.H.v. 150,00 EUR beginnt die nächste Gebührenstufe i.H.v. 201,00 EUR erst dann, wenn sich der Streitwert um 50 % auf 3.000,00 EUR erhöht hat.

Es ist sinnvoll und zielführend, auch für die Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren eine "Automatik" einzuführen, die sich an den Diäten unserer Bundestagsabgeordneten orientiert. Erfahrungsgemäß ist ein Gesetzesvorhaben leichter durchzusetzen, welches sich erst in der nächsten oder möglicherweise sogar in der übernächsten Legislaturperiode auswirkt. Unsere Berufsverbände sollten daher jetzt aktiv werden und sich um eine gesetzliche Regelung bemühen, die – ebenso wie bei den Bundestagsdiäten – der Lohnentwicklung und der Steigerung der Lebenshaltungskosten anpasst, erstmalig zum 1.1.2020.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für ein entsprechendes Gesetzesvorhaben und nicht erst dann, wenn eine Gebührenanpassung längst überfällig ist. Den Parlamentariern dürfte es schwerfallen, der Anwaltschaft das zu versagen, was sie sich selbst genehmigt haben.

Autor: Rechtsanwalt Dr. Hubert W. van Bühren, Köln

ZAP 11/2015, S. 567 – 568

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