Der Journalist selbst schien ein wenig überrascht von seinem Coup: Er interviewte den Vorsitzenden einer bundesdeutschen Beamtengewerkschaft, rückte ihm mit Informationen über gewährte Bezüge aus dem öffentlichen Dienst zu Leibe, und der Betroffene stritt eine Besoldung rundheraus ab. Das Interview war "im Kasten", unmittelbar im Anschluss widerrief der Beamte seine Lüge: Er erhalte Bezüge und befinde sich in einem speziellen Dienstverhältnis. Die "Causa Wendt" sorgte landauf landab für Aufsehen. Eine Aufmerksamkeit, die das Beamtenrecht gar nicht gewöhnt ist.

Dabei lohnt sich der Blick ins Dienstrecht und in Art. 33 Abs. 5 GG, der seit 2006 die Maßgabe enthält, das Recht des öffentlichen Dienstes sei fortzuentwickeln. Seitdem wird das Beamtenrecht in Bundesländern und Bund auseinanderdividiert. Überschneidungen und Gemeinsamkeiten im Kern gibt es gleichwohl, und sie sind verfassungsrechtlich auch geboten. Hierzu gehören etwa das Lebenszeit- und Alimentationsprinzip auf der einen, die Dienstleistungs- und Treuepflicht auf der anderen Seite. Auch das Verbot der Annahme von Belohnungen (§ 42 BeamtStG) oder die Grundpflichten zur Unparteilichkeit (§ 33 Abs. 1 BeamtStG) und politischen Mäßigung (§ 33 Abs. 2 BeamtStG) gehören in diesen Kanon.

Hiermit verträgt sich die "Causa Wendt" nicht. Denn nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse ist Rainer Wendt offensichtlich zunächst noch ordnungsgemäß für ein Mandat im Hauptpersonalrat teilweise vom polizeilichen Dienst befreit worden. Diese Befreiung habe dann über das Mandat und die Legislaturperiode hinaus schließlich eine 100 %ige Freistellung erreicht. Zwar habe Wendt sein Stundendeputat auf eine Teilzeitbeschäftigung reduziert, Dienst erbracht hat er aber viele Jahre nicht mehr. Er erhielt dennoch seine Besoldung, eine Jubiläumsfeier und eine Beförderung.

Besoldung ohne Dienst ist jedoch nicht vorgesehen und sollte auch nicht geduldet werden. Auch im Beamtenrecht ist für die Alimentation und Versorgung der Dienst als Gegenleistungspflicht vorgesehen. Urlaub unter Belassung der Beamtenbezüge – egal ob in Teilzeit oder Vollzeit – ist davon abweichend nur für einen begrenzten Katalog von Tatbeständen vorgesehen, etwa für einzelne gewerkschaftliche Arbeitstagungen oder für Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Hierbei handelt es sich um einen tageweisen Urlaub, nicht um die Vollzeitbeschäftigung eines Gewerkschaftsvorsitzenden.

Wendt wurde vom Land faktisch dauerhaft unter Beibehaltung der Bezüge beurlaubt. Die notwendigen Zustimmungen des Innen- und Finanzministeriums, die sowohl für die Beurlaubung von mehr als zwei Jahren erforderlich waren wie auch für die Belassung der Bezüge, fehlten. Besoldung und polizeiliche Heilfürsorge (eine Art 100 %-Beihilfe) wurden gleichwohl gewährt. Mehr noch: Der „fehlende“ Beamte wurde offensichtlich in der behördeninternen Zeiterfassung – wegen Nichtanwesenheit – manuell korrigiert und sogar befördert, was wiederum eine Bestenauslese i.S.v. Art. 33 Abs. 2 GG nach Eignung, Leistung und Befähigung (einschließlich körperlicher Anwesenheit im aktiven Dienst!) voraussetzt. In NRW möglich durch eine Verwaltungspraxis: Wenn vielleicht auch nicht durch eine "große" Behördenentscheidung legitimiert, hat sie sich durch eine Vielzahl kleinerer Großzügigkeiten und Nachlässigkeiten verselbstständigt und sich somit zu einem großen Gewerkschaftsurlaub auf Steuerzahlerkosten entwickelt.

Bis heute rechtfertigt die Landesregierung das Interesse des Staates an der faktischen Freistellung mit der gewünschten Pluralität der Gewerkschaften. Sie übersieht, dass dann aber im Ergebnis der vom Staat bezahlte Beamte dritte Interessen erfüllt. Er kann weder aus Sicht der Gewerkschaft, die seine Dienste als Vorsitzender in Anspruch nimmt, noch aus Sicht des Landes den Erwartungen gerecht werden: Wie soll ein Gewerkschaftsvorsitzender politische Zurückhaltung und Mäßigung üben (§ 33 Abs. 2 BeamtStG)? Wie will ein Vorsitzender im Konflikt mit dem Dienstherrn "dem ganzen Volk" dienen und "unparteiisch" sein (§ 33 Abs. 1 BeamtStG)?

Die Gewerkschaft erfüllt eine wichtige und nicht wegzudenkende Aufgabe, auch für die Beamtinnen und Beamten. Die Kraft und Position, die sie dabei einnimmt und ausübt, zieht sie aber aus der Unabhängigkeit vom Verhandlungspartner.

Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Weder durch eine nun offenbar gewordene Verwaltungspraxis in NRW, noch durch eine gesetzliche Regelung, wie sie in Hessen etwa im Landesbeamtengesetz (§ 69 Abs. 3 HBG) existiert. Die Vorschrift hat dort zwar bereits eine Tradition seit § 9 Abs. 5 HBG 1946 (später: § 106 Abs. 4 HBG 1989/1976). Sie ließ sich nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten aber „nur insofern rechtfertigen, als der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die gewerkschaftliche Tätigkeit eines Beamten vornehmlich in dessen Freizeit stattfindet, so dass Urlaub allenfalls in Form kurzzeitiger Dienstbefreiung in Anspruch genommen werden kann (...). Das führt (...) d...

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