Leitsatz

Wer Geflüchtete in Hotelzimmern unterbringt, die in Wohnungseigentum stehen, betreibt ein Heim.

 

Normenkette

WEG §§ 13, 14 Nr. 1

 

Das Problem

  1. In einem Gebäude gibt es ein Teileigentum, das nach der Gemeinschaftsordnung zu "gastronomischen Zwecken" gebraucht und genutzt werden darf. Im Teileigentum betreibt Eigentümer B eine Gastwirtschaft. Ferner gibt es 134 Wohnungseigentumsrechte. 63 dieser Wohnungseigentumsrechte gehören B. Weitere 50 Wohnungseigentumsrechte hat B von den Eigentümern gepachtet. Im Eigentum von K1 stehen 8 Wohnungseigentumsrechte. Von diesen hat er 5 an B verpachtet. Im Eigentum von K2 stehen 2 Wohnungseigentumsrechte, die er beide an B verpachtet hat. Zur Ausübung eines Gewerbes oder Berufs in den Wohnungseigentumsrechten sind die Eigentümer nach der Gemeinschaftsordnung mit Zustimmung berechtigt. Die Einwilligung darf nur aus wichtigem Grund verweigert werden. Als wichtiger Grund gilt insbesondere, wenn die Ausübung des Gewerbes oder Berufs eine unzumutbare Beeinträchtigung anderer Wohnungs- bzw. Teileigentümer oder Hausbewohner befürchten lässt, oder wenn sie den Charakter des Hauses beeinträchtigt. Entsprechendes gilt bei der Vermietung oder Verpachtung. Soweit der Verwalter eine beantragte Einwilligung in diesem Sinne nicht oder nur unter Auflagen erteilt, kann der Eigentümer nach § 25 WEG einen Beschluss herbeiführen.
  2. Mitte September 2015 schließt B mit dem Land Niedersachsen einen "Gruppenvertrag", wonach das Land in dem Zeitraum vom 21.9.2015 bis zunächst zum 31.12.2015 auf maximal 104 Zimmer zurückgreifen und damit bis zu ca. 300 Geflüchtete unterbringen kann. Für das Jahr 2016 ist eine weitere Unterbringung von Geflüchteten vorgesehen, wobei das Land auf maximal 58 Zimmer zurückgreifen kann.
  3. Auf Antrag von K1 und K2 erlässt das Amtsgericht (AG) im September 2015 eine einstweilige Verfügung. Damit wird B untersagt, dem Niedersächsischen Innenministerium Räumlichkeiten zur Beherbergung oder Unterbringung von Geflüchteten im Objekt zur Verfügung zu stellen. Sofern Räumlichkeiten bereits überlassen sind, wird B verpflichtet, die Belegung dieser Räumlichkeiten mit Geflüchteten unverzüglich zu beenden. B legt gegen die einstweilige Verfügung mit der Begründung Widerspruch ein, eine Flüchtlingsunterkunft widerspreche nicht der Gemeinschaftsordnung. Der Widerspruch hat keinen Erfolg. Gegen diese Entscheidung wendet sich B im Wege der Berufung. Mit Erfolg! Die Unterbringung bzw. Beherbergung von Geflüchteten widerspreche nicht der Gemeinschaftsordnung. Der Gebrauch der Räumlichkeiten durch die Geflüchteten beeinträchtige K1 und K2 außerdem nicht über das Maß hinaus, das bei einer Nutzung des Wohnungseigentums typischerweise zu erwarten sei. Ein Wohnungseigentümer sei nicht darauf beschränkt, seine Wohnungseigentumsrechte ausschließlich zu Wohnzwecken zu nutzen. Aus Art. 14 GG i.V.m. § 13 Abs. 1 WEG folge das Recht, es auch zu anderen Zwecken zu nutzen. Zu der zulässigen Nutzung gehöre auch die Vermietung. So sei der Eigentümer beispielhaft sowohl zu einer langfristigen als auch zur kurzfristigen Vermietung an Feriengäste berechtigt. Die Nutzung der Räumlichkeiten durch die Geflüchteten beeinträchtige K1 und K2 auch nicht, denn eine über das Maß, das bei einer Nutzung des Wohnungseigentums typischerweise zu erwarten sei, hinausgehende beeinträchtigende anderweitige Nutzung, liege nicht vor.
  4. Wegen der einstweiligen Verfügung des AG erleidet B nach seinem Vortrag einen Schaden von 406.000,92 EUR. Diesen macht er jetzt gegen K1 und K2 nebst Zinsen geltend. Das Landgericht (LG) gibt der Klage statt. B könne nach § 945 ZPO Ersatz für den entgangenen Gewinn verlangen, da sich die von K1 und K2 beantragte einstweilige Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt erwiesen habe.
  5. Gegen dieses Urteil führen K1 und K2 die Berufung. Sie vertreten weiterhin die Ansicht, dass die einstweilige Verfügung zu Recht erlassen worden sei.
 

Die Entscheidung

Die Berufung hat Erfolg! K1 und K2 habe gegen B ein Unterlassungsanspruch zugestanden.

Grundsätze zu § 945 ZPO

Nach § 945 ZPO sei eine Partei, die eine einstweilige Verfügung erwirke, die sich später als von vornherein ungerechtfertigt erweise, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel entstehe. Als von Anfang an ungerechtfertigt erweise sich eine Maßnahme, wenn der Verfügungsanspruch oder der Verfügungsgrund von vornherein gefehlt habe. Maßgebend für den Verfügungsanspruch sei dabei die materielle Rechtslage zum Zeitpunkt des Schadensersatzprozesses, und für den Verfügungsgrund, ob die Annahme der Besorgnis einer Rechtsverletzung zur Zeit des Erlasses der einstweiligen Verfügung vom Standpunkt eines objektiven Beurteilers gerechtfertigt gewesen sei. Dabei sei das Gericht des Schadensersatzprozesses in der Beurteilung der anfänglichen Rechtfertigung der einstweiligen Verfügung grundsätzlich frei.

Grundsätze zu § 15 Abs. 3, § 1 Abs. 2 und Abs. 3 WEG

Nach § 15 Abs. 3 WEG könne jeder Wohnungseigentüm...

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