Leitsatz

Ein Wohnungseigentümer, der an seinem Wohnungseigentum einen Nießbrauch bestellt hat, kann grundsätzlich als mittelbarer Handlungsstörer von den übrigen Wohnungseigentümern auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn der Nießbraucher das Wohnungseigentum in einer Weise nutzt, die mit dem vereinbarten Zweck unvereinbar ist.

 

Normenkette

§§ 14 Nr. 2, 15 Abs. 3 WEG; §§ 1004 Abs. 1, 1030 BGB

 

Das Problem

  1. W ist Inhaber des Sondereigentums an einer im Dachgeschoss gelegenen Wohnung und an dem darüber liegenden Spitzboden. Der Spitzboden wird in der Teilungserklärung als eine "nicht zu Wohnzwecken dienende Räumlichkeit" (= Teileigentum) bezeichnet. Im Jahr 1984 lässt W in dem Spitzboden, der über einen separaten Zugang zum Treppenhaus verfügt, ein Duschbad, eine Toilette, eine Küche, eine Heizung und Fenster einbauen und stattet den Bereich des Spitzbodens mit einem eigenen Strom- und Wasserzähler aus. Ferner bestellt er zugunsten seiner Eltern ein Nießbrauchsrecht an seinem Sondereigentum sowie seinem Miteigentumsanteil.

    § 1030 BGB (Gesetzlicher Inhalt des Nießbrauchs an Sachen)

    (1) Eine Sache kann in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen der Sache zu ziehen (Nießbrauch).

    (2) Der Nießbrauch kann durch den Ausschluss einzelner Nutzungen beschränkt werden.

  2. W's Eltern, die Nießbraucher, vermieten das Sondereigentum einschließlich Spitzboden von 1985 bis 2009 an Dritte. Ab dem Jahr 2010 schließen sie 2 gesonderte Mietverträge über die Wohnung und den Spitzboden, die seither also als abgetrennte Wohneinheiten genutzt werden.
  3. W beantragt, ihm und den Nießbrauchern die "Trennung des Spitzbodens von der darunter liegenden Wohnung" und dessen eigenständige Vermietung zu gestatten. Diesen Antrag lehnen die anderen Wohnungseigentümer ab. Stattdessen beschließen sie, gegen W Klage auf Unterlassung der Nutzung des Spitzbodens zu Wohnzwecken zu erheben. W wendet gegenüber diesem Anspruch Verjährung ein.
  4. Das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek verurteilt W, es zu unterlassen, den Spitzbodenbereich als selbstständige Wohneinheit separat von seiner Dachgeschosswohnung zu Wohnzwecken zu nutzen oder nutzen zu lassen.
  5. W's dagegen zum Landgericht Hamburg eingelegte Berufung bleibt erfolglos. W sei mittelbarer Handlungsstörer, da er nach § 14 Nr. 2 WEG verpflichtet sei, auf seine Eltern – die Nießbraucher – dahin gehend einzuwirken, eine der in der Teilungserklärung vorgesehenen Zweckbestimmung entgegenstehende Nutzung des Spitzbodens als Wohnraum zu unterlassen. Der Anspruch sei auch nicht verjährt. Verjährung trete nicht ein, solange die der Zweckbestimmung widersprechende Nutzung fortdauere. Jedenfalls stelle die erneute Vermietung der Räume "bei wertender Betrachtung" eine "Zäsur" dar, die zu einem Neubeginn der Verjährung führe und auch eine Verwirkung des Anspruchs ausschließe.
  6. Mit der Revision will W weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.
 

Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! Der Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Spitzbodens als selbstständiger Wohneinheit gemäß § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 15 Abs. 3 WEG sei begründet. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne ihn im eigenen Namen geltend machen, weil sie die Geltendmachung der entsprechenden Individualansprüche der übrigen Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss an sich gezogen habe (§ 10 Abs. 6 Satz 3 Alt. 2 WEG).
  2. Würden die in § 15 Abs. 3 WEG genannten Gebrauchsregelungen nicht eingehalten, liege hierin eine Eigentumsbeeinträchtigung, die Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB sei. So liege es auch hier. Die Regelung in der Teilungserklärung, nach der der Spitzboden nicht zu Wohnzwecken dient, sei eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter. Infolgedessen sei der Gebrauch des Spitzbodens zu nicht nur vorübergehenden Wohnzwecken nicht gestattet. Zwar könne sich eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung als zulässig erweisen, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr störe als der vorgesehene Gebrauch (Hinweis auf BGH v. 16.6.2011, V ZA 1/11, ZWE 2011 S. 396, 397). So sei es aber nicht. Denn die Wohnungseigentumsanlage erfahre jedenfalls bei einer Vergrößerung um eine weitere Wohneinheit typischerweise eine intensivere Nutzung, mit der eine erhöhte Aus- und Abnutzung verbunden sei.
  3. W sei auch Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB. Weil die Nießbraucher den Spitzboden als separate Wohnung vermieten, könnte er zwar nur als mittelbarer Handlungsstörer zu der Unterlassung verpflichtet sein. Die Voraussetzungen für die Annahme, dass W mittelbarer Handlungsstörer ist (Beeinträchtigung in adäquater Weise durch Willensbetätigung, Möglichkeit, die unmittelbar auftretende Störung zu verhindern), seien aber erfüllt:

    Willensbetätigung

    Die Beeinträchtigung werde adäquat durch W's Willensbetätigung verursacht. Zwar liege der Schwerpunkt seines Verhaltens in einem Unterlassen, weil er gegen seine Eltern nicht einschreite. Im Hinblick au...

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