Leitsatz

Sind entweder die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder einzelne Wohnungseigentümer passiv legitimiert, hat die im erfolglosen Erstprozess gegen die Wohnungseigentümer erfolgte Streitverkündung gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft Bindungswirkung für die im Zweitprozess wiederum streitige Frage der Passivlegitimation

 

Normenkette

§§ 68, 72 ZPO; § 10 Abs. 6 WEG

 

Das Problem

  1. Die Verbandsgemeinde B errichtet mit P ein Gebäude und begründet daran Wohnungseigentum. B erhält das Teileigentum am Parkhaus, P erhält Teileigentum an Gewerbelokalen und Wohnungseigentum. P meint, "Bedarf an Stellplätzen" zu haben. Im Hinblick darauf einigen sich die Bauherren dahin, dass die Verbandsgemeinde gegen eine Zahlung von 150.000 DM 35 Kfz-Stellflächen im Parkhaus "bereitstellt". Für den Fall der Überlassung des Parkhauses an einen Dritten sagt die Verbandsgemeinde zu, ihre Verpflichtung weiterzureichen.
  2. Als die Verbandsgemeinde das Parkhaus 1991 an D verpachtet, vereinbart D entsprechend mit P, dass er 35 gekennzeichnete Einstellplätze nutzen darf. Im Gegenzug muss P die "auf diese Parkfläche anteilig entfallenden Betriebskosten in Form von monatlichen Vorauszahlungen von 30 DM pro Einstellplatz = 1.050 DM inklusive Mehrwertsteuer bei jährlicher detaillierter Abrechnung" leisten. Die Vereinbarung wird mit B, der das Parkhaus 1998 pachtet, fortgeführt.
  3. Unterdessen veräußert P seine Eigentumseinheiten sukzessive. Einer der Erwerber schreibt 2000 an B, er möge bestätigen, dass die geltende monatliche Betriebskostenvorauszahlung von 1.050 DM – in Verzicht auf eine Abrechnung – als Pauschale gezahlt wird. Demgemäß wird dann verfahren.
  4. Mit Wirkung zum 1.1.2004 wird K Pächter des Parkhauses. Ihm fließen bis Anfang 2005 vonseiten der Eigentümer der übrigen Eigentumseinheiten monatlich 536,86 EUR (= 1.050 DM) zu. Danach werden die Zahlungen auf 87,50 EUR im Monat reduziert. K moniert diese Herabsetzung und macht den aus seiner Sicht für das Jahr 2006 rückständigen Betrag in einer gegen zahlreiche Miteigentümer gerichteten Klage geltend. Damit scheitert K in 2 Instanzen. Im abschließenden Urteil des OLG Koblenz vom 8.8.2012 heißt es, die verklagten Eigentümer seien als Einzelpersonen nicht passivlegitimiert. Stattdessen müsse sich der Kläger an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer – der er den Streit verkündet hatte – als rechtsfähigen Verband halten.
  5. K verklagt nunmehr die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Bezogen auf das Jahr 2009 verlangt er ein Entgelt von 5.392,32 EUR (= 12 x 536,86 EUR abzüglich gezahlter 12 x 87,50 EUR). Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer leugnet, eine rechtswirksame Verpflichtung eingegangen zu sein.
  6. Das Landgericht weist die Klage ab. Seiner Auffassung nach gibt es keine die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bindende, stellvertretend von deren Verwalter oder aber von der Gesamtheit der Miteigentümer ausgehende Zahlungszusage. Auch Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung schieden aus, weil die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als solche die streitigen Parkplätze nicht genutzt habe. Aus der Entscheidung des Vorprozesses könne K nichts Rechtserhebliches für sich herleiten. Die Wirkung der Streitverkündung beschränke sich darauf, dass diese die fehlende Passivlegitimation der damaligen Prozessgegner des Klägers gegen sich gelten lassen müsse; hinsichtlich ihrer eigenen Haftung bestehe kein Präjudiz.
  7. Das greift K in Erneuerung seines erstinstanzlichen Begehrens mit der Berufung an. Seiner Meinung nach verkennt das Landgericht die Reichweite der Streitverkündungswirkung. Auch unabhängig davon hält er die Beklagte für zahlungspflichtig. Demgegenüber verteidigt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die angefochtene Entscheidung.
 

Die Entscheidung

  1. Das Rechtsmittel dringt im Wesentlichen durch. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer schulde K für das Jahr 2009 als Entgelt für die Nutzung der streitigen 35 Einstellplätze 5.392,32 EUR.
  2. Die Zahlungspflicht sei Folge des Vorprozesses, den K gegen mehrere Wohnungseigentümer geführt und in dem er der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gemäß § 72 Abs. 1 ZPO den Streit verkündet habe. Daran anknüpfend müsse sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Verhältnis zu K das erste Urteil nach den Vorgaben der §§ 74 Abs. 3, 68 ZPO entgegenhalten lassen. Die von § 68 ZPO ausgehende Bindungswirkung erstrecke sich auf dessen tatsächliche und rechtliche Grundlagen; damit umfasse es alle das Urteil objektiv tragenden Feststellungen. Davon abzugrenzen seien Ausführungen, die für die getroffene Entscheidung bei objektiver Betrachtung ohne Belang waren (sogenannte überschießende Feststellungen), wozu namentlich Hilfserwägungen, obiter dicta oder bloße Rechtsansichten rechneten.
  3. Eine entsprechende, differenzierende Betrachtung finde sich auch in dem Urteil des Landgerichts. Die Betrachtung sei dann aber nicht überzeugend umgesetzt worden. Das Landgericht habe gemeint, das Urteil vom 8.8.2012 habe allein festgelegt, dass die verklagten Wohnungseigentü...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge