Leitsatz

Den gesetzlichen Bestimmungen des Wohnungseigentumsrechts über die Mehrheitsentscheidungen kann nicht ein zwingender Leitbildcharakter beigemessen werden. Es ist daher im Grundsatz möglich, dass die Wohnungseigentümer in Abweichung von dem Mehrheitsprinzip ein Einstimmigkeitsprinzip vereinbaren. Hiervon ausgenommen sind nur die Fälle, in denen nach dem Gesetz das Mehrheitsprinzip nicht ausgeschlossen werden kann.

 

Fakten:

Vorliegend enthält die Teilungserklärung eine Bestimmung, wonach Beschlüsse nur einstimmig gefasst werden können. Einer der Wohnungseigentümer ist der Auffassung, diese Regelung sei nichtig. Sie widerspreche den grundlegenden Gedanken des Wohnungseigentumsrechts, wonach ein Mehrheitsprinzip gegeben sei. Eine Klausel, die eine ordnungsgemäße Verwaltung der Gemeinschaft von einer Einstimmigkeit abhängig mache, widerspreche dem Sinn und Zweck des Wohnungseigentums. Denn bei einer Blockadehaltung nur eines einzigen Eigentümers sei eine Verwaltung nicht möglich. Eine Einstimmigkeit könne daher nur in besonderen Fallgestaltungen wirksam vereinbart werden, wie etwa bei der Änderung der Teilungserklärung oder des Kostenschlüssels oder bei der Zustimmung zu baulichen Veränderungen. Dieser Auffassung konnten die Richter nur teilweise folgen. Grundsätzlich unterscheidet das Wohnungseigentumsgesetz zwischen Gegenständen, die die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss und solchen, die sie durch Vereinbarung, das heißt nur einstimmig, regeln können. Die von den Wohnungseigentümern getroffene Regelung über das Erfordernis der Einstimmigkeit bei Beschlussfassungen betrifft einen Gegenstand, über den nur im Wege einer Vereinbarung entschieden werden kann, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Das Wohnungseigentumsgesetz räumt den Wohnungseigentümern für die Regelung ihres Verhältnisses untereinander in weitem Umfang Vertragsfreiheit ein. Die Gestaltungsfreiheit der Wohnungseigentümer soll nicht mehr als notwendig beschränkt werden. Im Rahmen der Vertragsfreiheit waren die beteiligten Wohnungseigentümer daher nicht gehindert, die Regelungen des WEG über die Mehrheitsbeschlüsse durch Vereinbarung anders zu regeln als es im WEG vorgesehen ist, soweit nicht das Gesetz etwas anderes ausdrücklich bestimmt. Die Bestimmung in der Teilungserklärung ist jedoch insoweit unwirksam, als sie Einstimmigkeit auch für die neuen im Rahmen des WEG-Änderungsgesetzes (v. 26. März 2007, BGBl I S. 370, seit 1. Juli 2007 in Kraft) eingefügten Beschlusskompetenzen betrifft. Hier nämlich ist im Gesetz ausdrücklich angeordnet, dass die entsprechenden Beschlusskompetenzen auch nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer eingeschränkt werden können. Namentlich betrifft dies die Aufhebung einer vereinbarten Veräußerungsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 4 S. 1 WEG, die Beschlussfassung über eine Änderung der Kostenverteilung hinsichtlich der Betriebs- und Verwaltungskosten gemäß § 16 Abs. 3 WEG, die Beschlussfassung über eine Änderung der Kostenverteilung hinsichtlich einer konkreten Maßnahme der Instandhaltung, Instandsetzung, Modernisierung oder baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Beschlussfassung über eine Maßnahme der Modernisierung des Gemeinschaftseigentums beziehungsweise dessen Anpassung an den Stand der Technik gemäß § 22 Abs. 2 WEG. Daneben kann und konnte bereits die Bestellung sowie die Abberufung des Verwalters gemäß § 26 Abs. 1 WEG nicht etwa von qualifizierten Mehrheiten oder aber Einstimmigkeit abhängig gemacht werden.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Beschluss vom 19.08.2008, I-15 Wx 89/08

Fazit:

Bis auf die genannten zwingenden Beschlusskompetenzen können die Wohnungseigentümer selbstverständlich vereinbaren, dass für Bereiche, in denen zwar eine Beschlusskompetenz zur mehrheitlichen Willensbildung besteht, das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Von dieser Möglichkeit geht auch der Gesetzgeber in § 23 Abs. 3 WEG aus, wonach bei schriftlichen Beschlüssen Gültigkeitsvoraussetzung ist, dass alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich erklären. Ein vergleichbares Ergebnis, dass Beschlüsse nur im Einvernehmen aller Wohnungseigentümer gefasst werden könnten, ergibt sich zudem bei einer aus zwei Wohnungen bestehenden Gemeinschaft als notwendige Folge des vom Gesetz vorgesehenen Kopfstimmrechts.

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