Zusammenfassung
Nicht selten sind in der Praxis die Fälle, in denen der Kläger nicht innerhalb der Monatsfrist des § 45 Satz 1 WEG Anfechtungsklage erheben oder auch die Begründungsfrist seiner Anfechtungsklage nicht einhalten kann. Beruht das Fristversäumnis nicht auf einem Verschulden des Klägers, kann ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Dies verdeutlicht der Verweis in § 45 Satz 2 WEG auf die §§ 233 bis 238 ZPO.
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist in den §§ 233 ff. ZPO geregelt. In § 45 Satz 2 WEG wird auf die §§ 233 bis 238 ZPO verwiesen.
BGH, Urteil v. 21.2.2020, V ZR 17/19: Ein Rechtsanwalt darf sich in aller Regel auch dann noch auf eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung in Wohnungseigentumssachen und in Zivilsachen mit wohnungseigentumsrechtlichem Bezug verlassen, wenn der gegnerische Anwalt deren Richtigkeit in Zweifel zieht. Der durch den Fehler des Gerichts hervorgerufene Vertrauensschutz besteht regelmäßig so lange fort, bis das aufgrund der Rechtsmittelbelehrung angerufene Gericht auf seine Unzuständigkeit hinweist; erst dann beginnt die Wiedereinsetzungsfrist nach § 234 Abs. 2 ZPO zu laufen.
LG Frankfurt a. M., Urteil v. 1.11.2018, 2-13 S 112/17: Dem Prozessbevollmächtigten des Anfechtungsklägers ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ein faktischer Verwalter die Eigentümerversammlung durchgeführt hatte. Hinsichtlich der Wirksamkeit einer Zustellung an einen lediglich faktischen Verwalter hat er sich jedenfalls in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden.
AG Düsseldorf, Urteil v. 5.2.2018, 290a C 90/17: Unterlässt es der klagende Wohnungseigentümer rechtzeitig vor Ablauf der Klagefrist Einsicht in die Beschluss-Sammlung zu nehmen, ist das Versäumnis der Klagefrist verschuldet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann dann nicht gewährt werden. Ein Wohnungseigentümer, der ordnungsgemäß geladen war, muss bei etwa nachteiligen Beschlüssen alles ihm zumutbare unternehmen, um die Klagefrist zu wahren.
BGH, Beschluss v. 28.9.2017, V ZB 109/16: Auch ein Rechtsanwalt, der Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist, darf in der Regel darauf vertrauen, dass die Rechtsmittelbelehrung in Wohnungseigentumssachen und in Zivilsachen mit wohnungseigentumsrechtlichem Bezug zutreffend ist.
BGH, Urteil v. 24.9.2015, IX ZR 206/14: Der deutliche Hinweis des gegnerischen Anwalts, dass die Klagebegründung nicht rechtzeitig eingereicht sei, kann die Kenntnis von einer Fristversäumnis begründen.
1 Grundsätze
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass die Fristversäumnis unverschuldet ist und die versäumte Verfahrenshandlung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen nachgeholt wird. Innerhalb der Zwei-Wochen-Frist muss also auch die Anfechtungsklage erhoben bzw. bei Versäumen der Begründungsfrist die Klage begründet werden. Außerdem müssen die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft gemacht werden.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird grundsätzlich nur auf entsprechenden Antrag gewährt. Nur ausnahmsweise kommt eine Wiedereinsetzung auch ohne entsprechenden Antrag nach § 236 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO in Betracht, wenn die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgenommen und der Grund der unverschuldeten Fristversäumung von der Partei zumindest erkennbar gemacht wird oder die eine Wiedereinsetzung rechtfertigenden Umstände aktenkundig oder sonst offenkundig sind.[1]
Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet nach § 237 ZPO das Gericht, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung zusteht. Im Fall der Anfechtungsklage ist dies das auch für die Hauptsache sachlich und örtlich ausschließlich zuständige Amtsgericht, in dessen Bezirk die Wohnanlage belegen ist (§§ 43 Abs. 2 Nr. 4 WEG, 23 Nr. 2 Buchstabe c GVG). Der entsprechende Antrag muss binnen zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses gestellt werden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nach § 234 Abs. 3 ZPO jedenfalls nach Ablauf eines Jahres – vom Ende der versäumten Frist an gerechnet – nicht mehr beantragt werden.
2 Verschulden
Eine unverschuldete Fristversäumnis liegt vor, wenn der Anfechtende die Frist trotz Anwendung größter Sorgfalt nicht einhalten konnte. Dies ist insbesondere bei schwerer Erkrankung oder aber wider Erwarten verzögerter Postzustellung der Fall. Eine verschuldete Fristversäumnis liegt vor, wenn diese auf Rechtsirrtum oder Rechtsunkenntnis beruht.[1] Hier kann nur ausnahmsweise dann Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn der Betroffene nicht die den Umständen nach gebotene und nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Hat der Rechtsanwalt im Rahmen eines Beschlussanfechtungsverfahrens auf Grundlage einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts bei einem unzuständigen Landgericht Berufung eingelegt, ist ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies gilt auch, w...
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