Leitsatz

  1. Weitgehendes Sanierungsermessen (Auswahlermessen) der Gemeinschaft (hier: Fassadenfläche); Vollwärmeschutz oder nur Reparatur?
  2. Isolierverglaste Kunststofffenster als Teil des gemeinschaftlichen Eigentums
  3. Erstattungsanspruch für die Kosten eigener Fensterauswechslung nach Grundsätzen einer ungerechtfertigten Bereicherung und Anteilsschuld aller Eigentümer
 

Normenkette

§§ 16 Abs. 2, 21 Abs. 2, Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 2 WEG; §§ 670, 677, 683, 684, 812 BGB

 

Kommentar

  1. Den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung muss es nicht widersprechen, wenn die Wohnungseigentümer statt der vorgeschlagenen Sanierung einer Fassadenfläche durch Anbringung eines Vollwärmeschutzes im Hinblick auf sonstige dringliche Baumaßnahmen übergangsweise eine sachverständigenseits ebenfalls ins Spiel gebrachte Reparatur durch Verspachteln entstandener Risse (zur Vermeidung von Schimmelschäden innerhalb eines Sondereigentums) durchführen lassen.

    Haben die Wohnungseigentümer bis zu dieser Reparatur schuldhaft eine Instandsetzung der Fassade verzögert, beruht ein Schaden am/im Sondereigentum, der zeitlich nach der Reparatur der Fassade entstanden ist, nicht auf einer schuldhaften Pflichtverletzung der Wohnungseigentümer. Ein Anspruch auf modernisierende, also verbessernde Instandsetzung scheidet im Allgemeinen ebenso aus wie ein auf Unterlassung solcher Maßnahmen gestützter Schadensersatzanspruch (OLG Hamburg v. 20.1.1998, 2 Wx 61/95, WuM 1999, 55/57). Vorliegend konnte das Landgericht ohne Rechtsfehler eine Pflichtwidrigkeit der Eigentümer verneinen, wenn sie 1990 zunächst die Auswirkungen der vorgenommenen und sachverständlich bestätigten Dachsanierung abwarteten und sich hinsichtlich der Fassade einstweilen für eine Übergangslösung entschieden, d.h. zum Schutze vor eindringender Feuchtigkeit vorhandene Wandrisse verkitten ließen.

    Kommen im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung mehrere Sanierungsmaßnahmen in Betracht, ist es grundsätzlich Sache der Eigentümer, durch Beschlussfassung eine Auswahl zu treffen; insoweit besitzen Eigentümer einen Beurteilungsspielraum zwischen mehreren möglichen Alternativen, müssen also weder zwangsläufig die teuerste noch die preisgünstigste ergreifen (vgl. auch BayObLG v. 23.1.2003, 2Z BR 123/02, ZMR 2003, 436). Es hält sich im Rahmen dieses Auswahlermessens, nach abgeschlossener Dachsanierung auch unter finanziellen Gesichtspunkten zunächst nur eine Verkittung der Risse an der Fassade vorzunehmen, also den "status quo" der Altbauanlage zu erhalten. Dass sich diese Fugenverschließung in der Folgezeit als ungenügend erwies, begründet für die Wohnungseigentümer kein Verschulden, weil es für die Vorhersehbarkeit auf den Zeitpunkt ankommt, in dem die Handlung hätte vorgenommen werden müssen. Somit entstand auch für neuerlich gemeldete Schimmel-Folgeschäden zeitlich nach dieser Sanierung ein neuer Kausalverlauf. Ein schuldhafter Pflichtverstoß (Verzug) mit Haftungskonsequenzen (hier: geltend gemachte Mietkürzungen, Inseratskosten, Kosten für anwaltliche Beratung, Aufwendungen zur Schimmelpilzbeseitigung, Mehrkosten für Maler- und Reparaturarbeiten sowie Mietausfall infolge Leerstands einer Wohnung nach Mietkündigung) war deshalb zu verneinen.

  2. Fenster sind notwendiger Bestandteil des gemeinschaftlichen Eigentums (h.R.M.). Vorliegend handelte es sich auch um isolierverglaste Kunststofffenster (nicht also um Doppelfenster mit trennbaren Flügeln).
  3. Hat ein Eigentümer Fenster erneuert, ohne dass auszuschließen ist, dass auch eine Reparatur eine sinnvolle Alternative gegenüber einem Komplettaustausch gewesen wäre (vgl. etwa OLG Köln, WE 1995, 166), ist zwar weder von einer Notgeschäftsführungsmaßnahme des Eigentümers gem. § 21 Abs. 2 WEG noch von einem Auftrag der übrigen Eigentümer gem. § 670 BGB auszugehen. Auch eine Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 BGB) ist aufgrund des entgegenstehenden Willens der Eigentümer nicht anzunehmen. Allerdings ist der Erstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 818 Abs. 2 BGB und § 398 BGB) als begründet anzusehen, wobei im Hinblick auf die insoweit gleichartigen Anspruchsvoraussetzungen dahinstehen kann, ob die Rechtsvorgängerin des Antragstellers angesichts der (ablehnenden) Haltung der Wohnungseigentümer überhaupt Fremdgeschäftswillen besaß (§ 684 BGB). Es kann insoweit auch dahinstehen, ob die Bereicherung der restlichen Eigentümer in der Wertsteigerung des Gebäudes liegt, die es durch den Einbau neuer Fenster erhalten hat und die sich aus dem in Rechnung gestellten angemessenen Werklohn des Handwerkers ergibt (OLG Hamburg v. 21.3.2002, 2 Wx 103/99, ZMR 2002, 618), oder ob die Bereicherung unmittelbar in der Ersparnis später unausweichlicher Aufwendungen in Höhe der Handwerkerrechnung (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 913) zu erblicken ist. Jedenfalls spricht nichts im vorliegenden Fall gegen die Angemessenheit der vorgelegten Rechnung. Eigentümer hätten die bauliche Maßnahme ähnlicher Art nur unerhebliche Zeit später als Maßnahme ordnungsgem...

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