Leitsatz

Im vorliegenden Einzelfall bejahte Beschlusskompetenz zur sog. "tätigen Mithilfe" (hier: zu turnusweiser Schneeräumpflicht der einzelnen Eigentümer auch als typischerweise in Hausordnungen regelbare Verhaltenspflichten)

 

Normenkette

§§ 16 Abs. 2 und 21 Abs. 3 i. V. m. Abs. 5 Nr. 1 WEG

 

Kommentar

1.

Zum Sachverhalt in Kürze:

Die 4 Miteigentümer einer Gemeinschaft mit einem vom Schnee zu räumenden Gemeinschaftsweg von 20 bis 25 m Länge beschlossen mehrheitlich, dass dieser Weg von Oktober bis März abwechselnd wöchentlich nach einem dem Beschlussprotokoll beigegebenen Zeitplan durch die einzelnen Eigentümer geräumt und gestreut werden sollten. Im Folgejahr ergänzten die Eigentümer den Beschluss wie folgt: "Die Schneeräumung wird den Eigentümern aus den Wohngeldzahlungen vergütet. Zur Höhe der Vergütung und zum Ausgleich möglicher ungleichmäßiger Belastung wird folgende Formel festgelegt und im Zuge der Jahresabrechnung berücksichtigt: Gesamtkosten Schneeräumung mal Summe Tagesneuschneehöhe für einzelne Eigentümer geteilt durch Jahressumme der Tagesneuschneehöhe ist die Vergütung für den einzelnen Eigentümer."

Der Anfechtung einer Eigentümerin wurde vom Amtsgericht Deggendorf stattgegeben. Im Berufungsverfahren der Beklagten haben die Eigentümer die streitgegenständlichen Beschlüsse bestandskräftig aufgehoben. Daraufhin hat die Anfechtungsklägerin den Rechtsstreit für erledigt erklärt; die Beklagten widersetzten sich dieser Erledigterklärung.

Das Berufungsgericht hat die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage zu Kostenlasten der Klägerin für beide Rechtszüge abgewiesen, Revision nicht zugelassen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 2.000 EUR festgesetzt.

2. Aus den Gründen:
a) Nach einseitiger Erledigungserklärung hat die Klägerin ihre zulässige Anfechtungsklage in einen Antrag auf Feststellung der Erledigung abgeändert, was auch noch in der Berufungsinstanz zulässig ist (§§ 533, 264 Nr. 2 ZPO). Allerdings war die Klage unbegründet; Erledigung ist nicht eingetreten. Erledigung eines Rechtsstreits setzt voraus, dass eine ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis unzulässig oder unbegründet wurde. Daran fehlt es hier, weil die Anfechtungsklage schon von Anfang an unbegründet war. Die angegriffenen Beschlüsse mit den Verpflichtungen einzelner Eigentümer zur abwechselnden Schneeräumpflicht in den Wintermonaten sind rechtmäßig.
b)

Die Beschlusskompetenz für die gefassten Beschlüsse ergibt sich nach Meinung des Berufungsgerichts aus § 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG. Zwar ist eine Verpflichtung einzelner Eigentümer zur tätigen Mithilfe durch Mehrheitsbeschluss grundsätzlich unzulässig, wie dies aus § 21 Abs. 1 WEG folgt, da die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zusteht und von diesem Grundsatz im Regelfall auch nur durch eine Vereinbarung, nicht jedoch durch einen einfachen Mehrheitsbeschluss abgewichen werden kann.

Andererseits ergibt sich aus § 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG eine spezielle Beschlusskompetenz zum Erlass einer Hausordnung durch Mehrheitsbeschluss. In einer solchen Hausordnung dürfen grundsätzlich Verhaltensvorschriften geregelt werden, mit denen der Schutz des Gebäudes, die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung und die Erhaltung des Hausfriedens sichergestellt werden sollen (h.M., etwa OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2007 S. 377; Spielbauer/Then, WEG § 21 Rz. 45; Wenzel, NZM 2004, S. 542, 544). Die Normierung des Winterdienstes ist daher grundsätzlich ein tauglicher Gegenstand der Hausordnung (OLG Köln, NZM 2005 S. 261; Spielbauer/Then, § 21 Rz. 49; Wenzel in NZM 2004 S. 542, 544 sieht in der Beschlusskompetenz zur Hausordnung einen tauglichen formalen Anknüpfungspunkt). Schneeräumung dient der Aufrechterhaltung und Sicherheit und Ordnung auf dem Anwesen im Winter.

c) Das Spannungsverhältnis zwischen § 21 Abs. 1 WEG einerseits und § 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG andererseits ist so zu lösen, dass eine Verpflichtung zur tätigen Mithilfe durch Mehrheitsbeschluss (nur) dann ausnahmsweise möglich ist, wenn es sich um einen Bereich handelt, der sehr häufig und typischerweise in Hausordnungen auf einzelne Eigentümer delegiert wird (h.M.; a.A. Wenzel a. a. O.). Hinsichtlich der Schneeräumpflicht ist dies ebenso der Fall wie etwa bezüglich der Pflicht, das Treppenhaus zu reinigen (vgl. etwa auch BayObLG, NJW-RR 1992 S. 343).
d) Sind solche Regelungen in Hausordnungen häufig und üblich, muss und kann ein Eigentümer beim Erwerb seines Wohnungseigentums trotz § 21 Abs. 1 WEG und trotz Fehlens einer Bestimmung in der Teilungserklärung mit einer solchen Pflichtendelegation rechnen und sich darauf einstellen. Für Eigentümer sind deshalb solche Beschlüsse grundsätzlich zu erwarten und nicht unzumutbar, vielmehr angemessen (BayObLG a. a. O. für Treppenhausreinigung).
e) Etwaige Härten für Eigentümer im Einzelfall dürfen durch das Korrektiv ordnungsgemäßer Verwaltung, unter dem auch ein Beschluss über eine Hausordnun...

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