Leitsatz

Art. 6 Abs. 2 Buchst. a und Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie … sind dahin auszulegen, dass sie auf die Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen nicht anwendbar sind, die dem Unternehmen für die Zwecke anderer als der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen zugeordnet sind, sodass die Mehrwertsteuer, die aufgrund des Bezugs dieser für solche Umsätze verwendeten Gegenstände und Dienstleistungen geschuldet wird, nicht abziehbar ist.

 

Problematik

Die VNLTO ist eine Vereinigung (juristische Person) zur Förderung der Interessen des Agrarsektors in mehreren niederländischen Provinzen. Ihre Mitglieder – im Agrarsektor tätige Unternehmen – zahlen an sie Beiträge, von denen der größte Teil für die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung ihrer Interessen bestimmt ist. Insoweit handelt es sich um keine individuellen Vereinsleistungen an die Mitglieder, die die Beiträge dafür als Entgelt zahlen, sondern um nichtsteuerbare Tätigkeit im Allgemeininteresse.

Daneben erbringt sie ihren Mitgliedern eine Reihe individueller Dienstleistungen, für die sie eine gesonderte Vergütung berechnet. Diese Dienstleistungen werden auch Dritten angeboten. Die Gewinne aus dieser Geschäftstätigkeit werden für die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitglieder verwendet (steuerbare Leistungen).

Im Jahr 2000 erwarb die VNLTO Gegenstände und nahm Dienstleistungen in Anspruch, die, so das vorlegende Gericht, "sowohl für ihre mehrwertsteuerpflichtigen wirtschaftlichen Tätigkeiten als auch für die anderen, damit nicht zusammenhängenden Tätigkeiten" (auch für ihre Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der allgemeinen Interessen ihrer Mitglieder) verwendet wurden. Sie machte für diese Gegenstände und Dienstleistungen, die sie verwendete, den vollständigen Vorsteuerabzug geltend. Für das Steuerjahr 2000 ermittelte sie einen Vorsteuerabzug in Höhe von 79 % für sämtliche von ihr bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen.

Die Finanzverwaltung ließ nur einen Abzug in Höhe von 49 % für sämtliche von der VNLTO bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen zu.

Dies wurde im anschließenden Gerichtsverfahren mit der Begründung bestätigt, dass die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen keine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Tätigkeiten der VNLTO darstelle. Der zuletzt damit befasste Hoge Raad der Nederlanden setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

  1. Sind die Art. 6 Abs. 2 und Art. 17 Abs. 1, 2 und 6 der 6. EG-Richtlinie so auszulegen, dass ein Steuerpflichtiger nicht nur Investitionsgüter, sondern alle Gegenstände und Dienstleistungen, die sowohl für Zwecke des Unternehmens als auch für unternehmensfremde Zwecke verwendet werden, insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und die beim Erwerb dieser Gegenstände und der Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer sofort und vollständig abziehen kann?
  2. (…)

 

Entscheidung des EuGH

Der EuGH hielt sich nicht an die gestellte Frage, sondern befand darüber, was er selbst aufgrund der "in der Vorlageentscheidung beschriebenen tatsächlichen Gegebenheiten" für entscheidungserheblich hielt. Er entnahm dem, dass die Vereinigung die Leistungsbezüge nicht ausschließlich ihren nachgeschalteten Tätigkeiten zuordnete.

Für die Beantwortung der so "umgestellten" Problematik geht der EuGH davon aus, dass Tätigkeiten wie die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitglieder durch eine Vereinigung keine "der Mehrwertsteuer unterliegende" Tätigkeiten im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie sind, da sie nicht in der entgeltlichen Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen bestehen.

Zur Frage, ob es sich dabei um Tätigkeiten handelt, die für "unternehmensfremde Zwecke" im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie (vgl. § 3 Abs. 9a UStG) ausgeführt werden, gilt nach dem EuGH-Urteil v. 13.3.2008[1] – Securenta –, dass die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Die mit der Richtlinie geschaffene Regelung über den Vorsteuerabzug betrifft alle wirtschaftlichen Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen.

Daher kann die Vorsteuer auf Aufwendungen eines Steuerpflichtigen nicht zum Abzug berechtigen, soweit sie sich auf Tätigkeiten bezieht, die aufgrund ihres nichtwirtschaftlichen Charakters nicht in den Anwendungsbereich der 6. EG-Richtlinie fallen; für den Fall, dass ein Steuerpflichtiger zugleich "steuerpflichtigen oder steuerfreien wirtschaftlichen Tätigkeiten" und "nichtwirtschaftlichen, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden Tätigkeiten" nachgeht, ist der Abzug der Vorsteuer auf Aufwendungen auf der Vorstufe nur insoweit zulässig, als diese Aufwendungen den wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen zuzurechnen sind.

Daraus folgert der EuGH, dass mit Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie keine allgemeine Regel eingeführt werden ...

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