Unter einer Vollmacht versteht man eine rechtsgeschäftlich eingeräumte Vertretungsmacht (§ 166 Abs. 2 BGB) an eine oder mehrere dritte Personen. Sie kann als General- oder Spezialvollmacht ausgestaltet sein, je nachdem, wie viele und welche Aufgabenbereiche sie umfasst.

Wird die Vollmacht für den Fall einer späteren Betreuungsbedürftigkeit des Vollmachtgebers erteilt, spricht man von einer Vorsorgevollmacht. Mit einer Vorsorgevollmacht wird eine andere Person dazu bevollmächtigt, im Namen und mit Wirkung für den Vollmachtgeber Erklärungen abzugeben, zu denen der Vollmachtgeber selbst nicht mehr in der Lage ist. Durch die Errichtung einer Vorsorgevollmacht soll die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung verhindert werden.[1] Ein Betreuer darf gemäß § 1814 Abs. 2 S. 1 BGB nämlich nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen eine Betreuung erforderlich ist. Eine Vorsorgevollmacht steht einer entsprechenden Betreuung grundsätzlich entgegen. Eine parallel zu einer bestehenden und die regelungsbedürftigen Sachverhalte umfassenden Vorsorgevollmacht angeordnete Betreuung ist daher aufzuheben.

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Auch das mit Inkraftreten der Betreuungsrechtsreform zum 1.1.2023 in § 1358 BGB neu geschaffene Ehegattenvertretungsrecht ist bei Vorhandensein einer Vorsorgevollmacht, die den Bereich der Gesundheitssorge abdeckt, ausgeschlossen.

Grundsätzlich kann ein Ehegatte den anderen nach § 1358 BGB über einen Zeitraum von maximal 6 Monaten (bzw. bei Vornahme von freiheitsentziehenden Maßnahmen über einen Zeitraum von längstens sechs Wochen) verteten, wenn dieser an der Besorgung seiner Angelegenheiten der Gesundheitssorge aufgrund von Krankheit oder Bewusstlosigkeit gehindert ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn weder ein ausdrücklicher entgegenstehender Wille des zu vertetenden Ehegatten bekannt noch wegen Trennung der Ehegatten anzunehmen ist. Das Ehegattenvertretungsrecht des § 1358 BGB gilt nur für den Bereich der Gesundheitssorge. Ein gesetzliches Vetretungsrecht unter Ehegatten für andere Bereiche, wie beispielsweise für vermögensrechtliche Angelegenheiten, gibt es nicht.

Damit ein Ehegatte das Vertretungsrecht nach § 1358 BGB ausüben kann, muss ärztlich festgestellt werden, dass der zu vertretende Ehegatte aufgrund von Krankheit oder Bewusstlosigkeit an der Besorgung seiner Angelegenheiten im Rahmen der Gesundheitssorge gehindert ist. Ferner muss der vertretende Ehegatte schriftlich zusichern, dass er das Ehegattenvertretungsrecht bisher nicht ausgeübt hat und kein Ausschließungsgrund (Getrenntleben, Ablehnung, Vorsorgebevollmächtigung oder Betreuung) vorliegt. Gemäß § 78a Abs. 1 BNotO, § 1 VO kann jeder verheiratete Bürger einen Widerspruch gegen das Ehegattenvertretungsrecht im Zentralen Vorsorgeregister eintragen lassen. Der Widerspruch hat nur deklaratorische Wirkung.

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Mit dem Vorrang der Vollmacht verbindet das Gesetz zwei Ziele, nämlich die Wahrung des Selbstbestimmungsrechtes des Betroffenen und die Entlastung des Staates.[4]

Eine Vorsorgevollmacht ist kein eigenständiger Vollmachtstypus.[5] Die einschlägigen Vorschriften richten sich vielmehr nach den auch sonst anwendbaren §§ 164 ff. BGB. Spezialnormen bestehen zudem im Bereich der Gesundheitssorge und der freiheitsentziehenden Unterbringung, §§ 1820, 1829 -1832 BGB n. F.

Bei einer Vollmacht unterscheidet man stets zwischen dem Außenverhältnis (= das rechtliche "Können" oder der Umfang der Vertretungsmacht, so wie er sich für einen Dritten, den Geschäftspartner, aus der Vollmachtsurkunde ergibt) und dem Innenverhältnis (= das rechtliche "Dürfen", so wie es intern zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem festgelegt ist).

Das Außenverhältnis umfasst in der Regel folgende Kompetenzbereiche:

  • Vertretung in Vermögensangelegenheiten
  • Vertretung in Gesundheitsangelegenheiten
  • Vertretung bei freiheitsentziehender Unterbringung
  • Vertretung in weiteren Angelegenheiten (z. B. Recht zur Wohnungsauflösung)

Höchstpersönliche Angelegenheiten können einem Bevollmächtigten nicht übertragen werden. Hieran ändert sich selbst dann nichts, wenn der Vollmachtgeber sie in der Vollmachtsurkunde ausdrücklich benennt. Höchstpersönliche Angelegenheiten sind z.B.:

  • Testamentserrichtung
  • Abgabe eines Eheversprechens
  • Eheschließung
  • Ehescheidung
  • Ausübung der elterlichen Sorge
  • aktives/passives Wahlrecht
  • gerichtliches Aussagerecht

Die Vorsorgevollmacht wird in der Regel im Außenverhältnis mit ihrer Erteilung sofort wirksam. Möglich, aber nur wenig praxistauglich ist es, die Wirksamkeit der Vollmacht auf den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Vollmachtgebers hinauszuschieben. Sieht die Vorsorgevollmacht eine derartige Bedingung vor, ist zu beachten, dass der Bevollmächtigte deren Eintritt durch Vorlage eines neurologischen Sachverständigengutachtens erst nachweisen müsste, um im Rechtsverkehr unter Einsatz der Vollmacht tätig werden zu können. Es ist daher grundsätzlich empfehlenswert, Beschränkungen der Vollmacht, die sich im Rechtsverkehr nur schwierig nachweisen lassen, le...

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