Leitsatz

Mit Urteil vom 4.6.2007 ("COMROAD IV") hat der BGH entschieden, dass eine börsennotierte Aktiengesellschaft (hier: ComROAD AG) gegenüber einem Aktionär auf Schadensersatz wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB haftet, sofern der Vorstand Ad-hoc-Mitteilungen i.S.v. § 15 WpHG veröffentlicht, die höhere Umsätze vortäuschen, um den Aktienkurs in die Höhe zu treiben, und der Anleger sich aufgrund der Ad-hoc-Mitteilung zum Kauf der Aktie entschließt. Der Anspruch besteht selbst dann, wenn kein gemäß § 57 AktG ausschüttungsfähiger Gewinn vorhanden ist.

 

Hinweis

Es handelt sich um eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.v. § 826 BGB, wenn der Vorstand oder das Vorstandsmitglied falsche Umsatzzahlen bekannt gibt und dabei zumindest billigend in Kauf nimmt, dass der Aktienkurs einbricht, sofern die falschen Umsatzzahlen bekannt werden, und die Anleger infolgedessen geschädigt werden. Neben dem Vorstand selbst haftet die AG analog § 31 BGB gesamtschuldnerisch.

Mit seinem Urteil bestätigt der BGH sein Urteil vom 9.5.2005 (II ZR 287/02, "EM.TV AG"), in dem er erstmals entschied, dass Schadensersatzansprüche der Anleger, die auf der Verletzung einer kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflicht (hier: § 15 WpHG) beruhen nicht am Grundsatz der Kapitalerhaltung (hier: § 57 AktG) scheitern. Der deliktische Anspruch der Anleger aus § 826 BGB beruht weniger auf der Stellung als Aktionär, sondern in erster Linie auf der Verletzung der gesetzlichen Publizitätspflicht - Zahlung der AG an den Anleger ist daher nicht als Rückgewähr von Einlagen i.S.v. § 57 AktG, sondern wie die Befriedigung eines normalen Gläubigers anzusehen. Insoweit bestätigt der BGH die gestärkte Rechtstellung der Anleger: ein Schadensersatzanspruch besteht selbst dann, wenn kein ausschüttungsfähiger Gewinn vorhanden ist.

Allerdings schränkt der BGH die Rechte der Anleger an anderer Stelle demgegenüber deutlich ein: Um die AG und/oder die einzelnen Vorstandsmitglieder auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, muss der Anleger grundsätzlich im jeweiligen Einzelfall darlegen und beweisen, dass er sich aufgrund der Ad-hoc-Mitteilung zum Kauf entschloss (sog. "Kausalzusammenhang" zwischen der Täuschung und der Kaufentscheidung). Nur ganz ausnahmsweise kann sich aus den positiven Signalen eine Ad-hoc-Mitteilung eine regelrechte Anlagenstimmung der breiten Öffentlichkeit für den Erwerb einer Aktie entwickeln; kommt einer Ad-hoc-Mitteilung eine solche Tragweite zu, greift zu Gunsten des Anlegers eine Beweiserleichterung im Wege eines sog. "Anscheinsbeweises" ein. Da der BGH insoweit jedoch sehr hohe Anforderungen stellt, bleibt der Anleger üblicherweise beweisbelastet. Ob dem Anleger dieser Beweis gelingt, wird in der Praxis davon abhängen, ob der Anleger Anhaltspunkte benennen kann, die einen Zusammenhang zwischen der falschen Ad-hoc-Mitteilung und dem Entstehen seiner Kaufentscheidung belegen. Insbesondere wird von Bedeutung sein, ob eine besondere zeitliche Nähe zwischen dem Aktienkauf und der Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung besteht.

Hinweis auf andere Entscheidungen: Die COMROAD-Entscheidungen des BGH beschäftigten sich mit den in einigen Punkten anders lautenden Rechtsauffassungen des OLG München als Berufungsgerichts (vgl. hierzu z.B. die ebenfalls kommentierte Entscheidung des OLG München v. 26.5.2003, 18 U 3910/03).

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 04.06.2007, II ZR 147/05

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge