Zusammenfassung

Handschriftliche Zusätze in Standardklauseln lassen die Einordnung als AGB nicht zwangsläufig entfallen.

Hintergrund

Die Beklagte hatte zugunsten der Klägerin, einer im Bauwesen tätigen Generalunternehmerin, eine Vertragserfüllungsbürgschaft übernommen. Mit dieser Bürgschaft sicherte die Beklagte die mangelfreie Erbringung von Bauarbeiten durch eine Subunternehmerin der Klägerin ab. Die Höhe der von einem Dritten (hier: der Beklagten) zu übernehmenden Bürgschaft war bereits im Vertrag zwischen der Subunternehmerin und der Klägerin geregelt worden. Sie sollte sich prozentual am Wert der Auftragssumme bemessen. Der konkrete Prozentsatz war vor Vertragsunterzeichnung handschriftlich in ein hierfür vorgesehenes, leeres Feld eingetragen worden.

Da das von der Subunternehmerin erstellte Werk nach Ansicht der Klägerin mangelhaft war, nahm diese die Beklagte auf Zahlung aus der Bürgschaft in Anspruch. Die Beklagte verwies zu ihrer Verteidigung unter anderem darauf, dass die Klausel im Vertrag zwischen der Subunternehmerin und der Klägerin, die besagte, dass der Vertrag über eine Bürgschaft abzusichern sei, aufgrund überhöhter Prozentwerte nach AGB-Recht unwirksam sei. Nach Abweisung der Klage durch das Landgericht Hannover wandte sich die Beklagte im Wege der Berufung an das OLG Celle.

OLG Celle, Urteil v. 2.10.2019, 14 U 94/19

Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das OLG Celle sah wie die Vorinstanz die handschriftlich ergänzte Klausel im Vertrag zwischen der Subunternehmerin und der Klägerin als AGB an. Unter Heranziehung der AGB-Kontrolle sei diese in Kombination mit weiteren Regelungen im Vertrag wegen unangemessener Benachteiligung der Subunternehmerin unwirksam. Auf diese Tatsache könne sich aufgrund der Bürgschaftsübernahme auch die Beklagte berufen.

Für die Beurteilung, ob ein Vertrag der AGB-Kontrolle unterliege oder nicht, sei maßgeblich darauf abzustellen, ob eine Vertragspartei den Vertragstext zur Verwendung in einer Vielzahl von Fällen vorformuliert habe. Dies sei der Rechtsprechung des BGH zur Folge unter Umständen bereits dann der Fall, wenn für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen nur in einem einzigen Vertrag verwendet werden sollen. Keine AGB-Kontrolle sei hingegen vorzunehmen, wenn ein Vertragswerk, oder einzelne Klauseln, zwischen den Parteien ausgehandelt worden seien. Hierfür sei jedoch erforderlich, dass der Verwender der Standardklauseln diese inhaltlich zur Disposition gestellt habe und somit eine reale Möglichkeit der Einflussnahme auf die Vertragsbedingungen bestanden hätte.

Die handschriftliche Ergänzung der Prozentsätze erfülle im vorliegenden Fall das Kriterium ausgehandelter Bedingungen nicht. So seien handschriftlich ergänzte Klauseln zwar dann nicht als AGB anzusehen, wenn es sich bei den jeweiligen Klauseln um wesentliche Vertragsinhalte handele, durch die der Vertrag erst einen Regelungsgehalt bekomme. Eine solche Bedeutung komme der im Vertrag zwischen der Subunternehmerin und der Klägerin ergänzten Klausel zur Bürgschaftsstellung durch einen Dritten jedoch nicht zu. Vielmehr könne der Vertrag auch ohne die Bürgschaftsklausel Bestand haben. Im Übrigen entfalle die AGB-Eigenschaft aber auch deswegen nicht, da unklar sei, ob die Prozentsätze von Vornherein in die Klausel eingetragen waren, oder zuvor in ausreichendem Maße ausgehandelt worden seien.

Anmerkung

AGB unterliegen nach deutschem Recht einer strengen Inhaltskontrolle. So sind Klauseln, die den Vertragspartner unangemessen benachteiligen, unwirksam. Als AGB anzusehen sind hierbei nicht nur ausdrücklich als Geschäfts-/ Einkaufs- oder Verkaufsbedingungen bezeichnete Vertragswerke, sondern unter Umständen auch sonstige Verträge, wenn diese – wie im vorliegenden Fall – auf häufig verwendeten Mustern basieren.

Um der Gefahr der Unwirksamkeit einzelner Klauseln nach AGB-Recht zu entgehen, muss der Verwender des Vertrags nachweisen können, dass AGB-rechtlich besonders sensible Klauseln wie z.B. Haftungsbegrenzungen ergebnisoffen diskutiert und vereinbart wurden. Welche Art Nachweis hierfür erforderlich ist, hängt vom Einzelfall ab. Eine handschriftliche Ergänzung unwesentlicher Vertragsklauseln genügt dem OLG Celle zur Folge grundsätzlich nicht, wobei im vorliegenden Fall erschwerend hinzukam, dass die Klägerin auch nicht beweisen konnte, dass die Klausel tatsächlich ausgehandelt wurde und nicht von vornherein in der handschriftlich ergänzten Form im Vertrag enthalten war.

Nicht AGB-konform vorformulierte Klauseln bergen folglich ein erhebliches Risiko. Sofern das individuelle Aushandeln nicht bewiesen werden kann, droht die Unwirksamkeit – mit massiven Folgen. So kann eine anfangs für beide Seiten noch akzeptable und daher nie diskutierte Haftungsbegrenzung im Streitfall nachträglich komplett wegfallen, da dem Verwender der Nachweis des Aushandelns nicht gelingt. Drastische Folge wäre dann die unbegrenzte Haftung des Verwenders. Dieses Risiko gilt es bei der Vertragsgestaltung stets zu beachten.

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