Leitsatz

Eine vom Bauträger vorformulierte Bindungsfrist, nach der der Erwerber an sein Angebot auf Abschluss eines Bauträgervertrags für 6 Wochen oder länger gebunden ist, überschreitet die regelmäßige gesetzliche Frist des § 147 Abs. 2 BGB von 4 Wochen wesentlich; sie ist nur dann nicht unangemessen lang im Sinne von § 308 Nr. 1 BGB, wenn der Verwender hierfür ein schutzwürdiges Interesse geltend machen kann, hinter dem das Interesse des Kunden an dem baldigen Wegfall der Bindung zurückstehen muss

 

Normenkette

§ 147 Abs. 2, § 308 Nr. 1 BGB

 

Das Problem

  1. Mit notarieller Erklärung vom 26. Mai 2008 bietet ein gewerblich handelnder Bauträger in Leipzig den Kauf eines Wohnungseigentumsrechts (Eigentumswohnung) an. Bei dem vom Bauträger verwendeten Text handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Das Kaufangebot bezieht sich auf einen Bauträgerkaufvertrag über eine noch vom Bauträger zu sanierende Eigentumswohnung. Eine Vertragsbedingung lautet wie folgt:

    An das Angebot hält sich der Anbietende bis zum Ablauf von 6 Wochen von heute an gerechnet unwiderruflich gebunden. Nach Ablauf dieser Frist kann das Angebot schriftlich widerrufen werden. Ist das Angebot schriftlich widerrufen worden, kann es nicht mehr angenommen werden und erlischt mit dem Ablauf von weiteren 6 Wochen, nachdem der Widerruf dem Angebotsempfänger zugegangen ist, es sei denn, der Angebotsempfänger hat innerhalb von weiteren 6 Wochen den Widerruf schriftlich zurückgenommen. Nach Rücknahme des Widerrufs kann das Angebot nur innerhalb der weiteren 6 Wochen angenommen werden. Nach Ablauf dieser Frist erlischt das Angebot endgültig.

  2. Am 4. Juli 2008, also 5 Wochen und 5 Tage nach dem Angebot, erklärt der Erwerber die Annahme. Der Erwerbspreis beträgt 146.820 EUR. Gezahlt werden 119.660 EUR (der Erwerber behauptet, der Erwerbspreis sei aufgrund nachträglicher Verhandlungen reduziert worden).
  3. Der Erwerber begehrt in den Tatsacheninstanzen erfolglos vor allem die Rückabwicklung des Vertrags, daneben die Feststellung der Ersatzpflicht des Bauträgers für weitere Vermögensschäden und den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Er meint, es gäbe keinen Kaufvertrag. Mit der Revision verfolgt er sein Klageziel weiter.
 

Entscheidung

  1. Mit Erfolg! Soweit der Erwerber Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückübereignung und Rückgabe der Eigentumswohnung verlangt, habe das Oberlandesgericht Dresden zu Unrecht einen Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint. Zwischen den Parteien sei nämlich kein Kaufvertrag zustande gekommen, sodass die Kaufpreiszahlung rechtsgrundlos sei.
  2. Der Erwerber habe das Angebot des Bauträgers vom 26. Mai 2008 nicht rechtzeitig angenommen. Zwar habe er die Annahme innerhalb der in dem Angebot enthaltenen 6-wöchigen Bindungsfrist erklärt. Die Klausel sei aber gemäß § 308 Nr. 1 BGB unwirksam. Das habe nach § 306 Abs. 2 BGB zur Folge, dass für die Annahmefrist die gesetzliche Regelung in § 147 Abs. 2 BGB gelte. Danach erfolgte die Annahme des Angebots nicht rechtzeitig. Gemäß § 146 BGB war es in diesem Zeitpunkt bereits erloschen.
  3. Bei dem vom Bauträger verwendeten Angebot habe es sich um eine vorformulierte Erklärung gehandelt, die der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliege. Unter Berücksichtigung der für den Vertragsgegenstand typischen Umstände ergäbe die Abwägung der Interessen der Verhandlungspartner, dass die in dem Angebot enthaltene Bindungsfrist von 6 Wochen den Erwerber unangemessen in seiner Dispositionsfreiheit beeinträchtigt habe und deshalb nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam sei.

    § 308 Nr. 1 BGB (Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit)

    In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält; ausgenommen hiervon ist der Vorbehalt, erst nach Ablauf der Widerrufs- oder Rückgabefrist nach § 355 Abs. 1 bis 3 und § 356 zu leisten;

  4. Ausgangspunkt für die Prüfung sei § 147 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift könne der einem Abwesenden gemachte Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Für die Bemessung dieses Zeitraums sei unerheblich, ob es sich um einen Bauträgerkaufvertrag handelte. Denn bei dem finanzierten Kauf einer bereits fertiggestellten Eigentumswohnung betrage die gesetzliche Frist des § 147 Abs. 2 BGB regelmäßig 4 Wochen (Verweisung auf BGH v. 11.6.2010, V ZR 85/09, NJW 2010 S. 2873 Rn. 12); für einen Bauträgerkaufvertrag gelte nichts anderes (BGH v. 27.9.2013, V ZR 52/12, WM 2013 S. 2315 Rn. 12).
  5. Ob bei der Bestimmung, welche Frist angemessen im Sinne von § 308 Nr. 1 BGB ist, im konkreten Fall absehbare Verzögerungen zu berücksichtigen seien oder ob insoweit allein eine generalisierende und typisierende Betrachtung geboten sei, könne dahinstehen. Denn der Bauträger führe insoweit allein die ni...

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