Rz. 11

Die Legitimationsnachweise eines Erben sind in vielen Rechtsordnungen ganz unterschiedlich geregelt. Auch in Europa sind die Unterschiede ganz erheblich. Das österreichische Recht setzt positiv nach §§ 797–799 AGBGB, §§ 116 ff. AußStrG zunächst einmal voraus, dass eine sog. Erberklärung abgegeben wird, der Erbe also erklärt, dass er die Erbschaft annimmt; zeitgleich oder später muss der sog. Erbrechtsausweis erfolgen, der Erbe also nachweisen, worauf er sein Erbrecht stützt.[36] Ähnlich dem deutschen Erbrecht hat der Nachweis des gesetzlichen Erbrechts über Standesurkunden, also Geburtsurkunden, Heiratsurkunden und dergleichen zu erfolgen. Der berufene Erbe hat ein entsprechendes formgültiges Testament nachzuweisen.[37] Das schweizerische Recht geht wie das deutsche Recht davon aus, dass der Erbe nahtlos in die Rechtsstellung des Erblassers mit dessen Tod eintritt.[38] Auch das Erbrecht der Schweiz sieht eine dem deutschen Erbschein vergleichbare Form des Erbausweises vor, nämlich eine Erbbescheinigung.[39] Die Stellung des eingesetzten Erben ist jedoch hinsichtlich des Nachweises über die Erbbescheinigung schwächer ausgestaltet als im deutschen Recht. Der schweizerische Gesetzgeber bevorzugt insofern die gesetzlichen Erben. Vieles ist dabei rechtlich bis dato noch nicht abschließend geklärt. Eine Erbbescheinigung nach schweizerischem Recht wird jedoch für das deutsche Grundbuch nicht als ausreichender Erbnachweis akzeptiert.[40] Hingegen wird für das schweizerische Grundbuch sowohl der deutsche Erbschein als auch ein in öffentlicher Form errichtetes Testament nebst Eröffnungsprotokoll als genügender Nachweis akzeptiert.[41] Der Erbennachweis in den Niederlanden wird ebenfalls nicht über einen dem deutschen Erbrecht vergleichbaren Erbschein geführt. Die sog. verklaring van erfrecht nach Art 4: 188 NBW ist nicht mit einer dem § 2365 BGB vergleichbaren Rechtsvermutung ausgestattet.[42]

 

Rz. 12

Das italienische Erbrecht kennt ebenfalls keinen dem deutschen Erbrecht vergleichbaren Erbschein. Die Nachweisführung, wer Erbe geworden ist, kann aber in der Praxis durch einen sog. acte de notoriete vor einem öffentlichen Beamten abgegeben werden.[43] Einzig in den Teilgebieten von Südtirol, Triest und Görz, die bis zum I. Weltkrieg zu Österreich gehörten, gilt noch das damalige österreichische Grundbuchsystem, wonach die Gerichtsbehörden einen Erbschein erteilen können.

 

Rz. 13

Der Nachweis des Erbrechts in Frankreich wird regional unterschiedlich durch zwei verschiedene Arten von Urkunden geführt. In den französischen Landesteilen, Haut Rhin, Bas Rhin, Mosselle sowie Elsaß-Lothringen ist der deutsche Erbschein als sog. certification d’heriter als Besonderheit der wechselvollen Geschichte dieser Landesteile erhalten geblieben.[44] Die certification d’heriter entfaltet innerhalb der aufgeführten Landesteile die entsprechende Rechtskraft, gleich einem deutschen Erbschein. Im restlichen Staatsgebiet von Frankreich wird der Erbrechtsnachweis primär durch die sog. acte de notoriété geführt.[45] Einen ganz anderen Weg gehen die Länder des common law. Das Vermögen geht zunächst auf eine zwischenberechtigte Person über, den personal representative. Dieser legitimiert sich als executor durch einen grant of probate und als administrator durch einen letter of administration.[46]

[36] Rummel/Welser, AGBGB-Kommentar, §§ 799, 800 Rn 1; Koziol/Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts, Bd. II, S. 398; Ferid/Firsching, Bd. V Österreich, IX Rn 149; v. Oertzen/Mondl, ZEV 1997, 240 ff.
[37] Rummel/Welser, AGBGB-Kommentar, §§ 799, 800 Rn 20.
[38] Druey, Grundriss des Erbrechts, § 4 Rn 1 ff.
[39] Druey, Grundriss des Erbrechts, § 15 Rn 16.
[40] LG Stuttgart ZEV 2009, 83 ff.; OLG Zweibrücken Rpfleger 1990, 121 ff.
[41] www.bj.admin.ch; ausländische Erbfolgezeugnisse als Ausweis für Eintragungen im schweizerischen Grundbuch.
[42] Schimansky, ZEV 2003, 149; Ferid/Firsching, Bd. IV Niederlande, Vorbem. 23.
[43] Ferid/Firsching, Bd. III Italien, J I Rn 265 ff.; Padovini, ZfRV 2002, 207, 211; Salaris, ZEV 1995, 240, 241.
[44] Ferid/Firsching, Bd. II Frankreich, Rn 303, 22; Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHB, § 27, Rn 42; Gotthardt, ZfRV 1991, 2 ff.
[45] Ferid/Firsching, Bd. II Frankreich, Rn 303.
[46] Süß, Erbrecht in Europa, S. 745 ff.

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