Rz. 1

Das in §§ 2303 ff. BGB verankerte Pflichtteilsrecht garantiert einem bestimmten Personenkreis nächster Angehöriger des Erblassers eine Mindestteilhabe an dessen Nachlass. Auf Grund der sich aus der das deutsche Zivilrecht prägenden Privatautonomie ergebenden Testierfreiheit hat der Erblasser zwar grundsätzlich die Möglichkeit, auch seine nächsten Angehörigen zu enterben. Dieser Grundsatz wird jedoch durch das Pflichtteilsrecht durchbrochen.[1] Das gesetzliche Erbrecht ist durch den Gedanken der Familienbindung des Vermögens ("Das Gut rinnt wie das Blut" [germanischer Rechtsgrundsatz]) geprägt. Hierzu stünde eine unbeschränkte Testierfreiheit in Widerspruch. Das Pflichtteilsrecht ist daher der Kompromiss des BGB, der sich in diesem Spannungsfeld bewegt.[2] Der Aufnahme des Pflichtteilsrechts in das BGB lag der Gedanke zugrunde, dass den Erblasser eine über seinen Tod hinausgehende Sorgfaltspflicht gegenüber dem genannten Personenkreis treffe (familiäre Solidarität und Verantwortung).[3] Hinzu kam auch der Wunsch, eine wirtschaftliche Absicherung und Versorgung der Pflichtteilsberechtigten zu gewährleisten.[4] In der Institution des Pflichtteilsrechts wurde von den Vätern des BGB gleichzeitig ein Mittel gesehen, Vermögenskonzentrationen entgegenzuwirken und damit Klassengegensätze zu mildern.[5] Außerdem sollte durch das Pflichtteilsrecht einer unerwünschten Machtpositionen des Erblassers entgegengewirkt werden, die die unbeschränkte Testierfreiheit mit sich gebracht hätte.[6]

 

Rz. 2

Bei Aufnahme des Pflichtteilsrechts in das BGB war gleichzeitig über die pflichtteilsrechtliche Legitimation, den Umfang des Pflichtteilsrechts sowie seine rechtliche Gestalt zu entscheiden: Pflichtteilsberechtigt sind seitdem die Abkömmlinge, die Eltern und der Ehegatte des Erblassers, seit 2001[7] gem. § 10 Abs. 6 LPartG auch der Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, § 2303 BGB. Gem. § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB besteht ein Pflichtteilsanspruch i.H.d. Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Der Pflichtteilsanspruch entsteht gem. § 2317 BGB mit dem Erbfall und gewährt dem Pflichtteilsberechtigten einen Geldanspruch gegenüber dem bzw. den Erben. Der Vergleich des Pflichtteilsrechts des BGB mit Regelungen anderer (geltender) Rechtsordnungen führt zu nachfolgenden Überlegungen, die sich im Zusammenhang mit der gesetzlichen Ausgestaltung der Mindestteilhabe am Vermögen des Erblassers ergeben.[8]

[1] BeckOGK/Obergfell, § 2303 Rn 5; Otte, JZ 2005, 1007, 1008.
[2] Strätz, FamRZ 1998, 1553, 1566; BeckOGK/Obergfell, § 2303 Rn 5 m.w.N.
[3] BeckOGK/Obergfell, § 2303 Rn 8 m.w.N.
[4] Deren Bedürftigkeit wurde dabei quasi unterstellt, vgl. BeckOGK/Obergfell, § 2303 Rn 10 m.w.N.
[5] Kipp/Coing, § 8 II; BeckOGK/Obergfell, § 2303 Rn 11.
[6] Strätz, FamRZ 1998, 1553, 1566.
[7] Nach § 7 LPartG, vgl. BGBl I 2001, 266, verkündet am 22.2.2001.
[8] Anschaulich: Strätz, FamRZ 1998, 1553, 1565.

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