Rz. 1

Nach § 1939 BGB ist das Vermächtnis eine Verfügung von Todes wegen, durch die der Erblasser dem Bedachten (Vermächtnisnehmer), ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Anspruch auf Leistung gegen den Beschwerten zuwendet. Das Vermächtnis ist daher zu unterscheiden und abzugrenzen von der Erbeinsetzung (§§ 2087 ff. BGB), von der Auflage (§ 1940 BGB), von der Belastung des Pflichtteils (§ 2304 BGB), von der Schenkung unter Lebenden (§ 516 BGB), von der Schenkung von Todes wegen (§ 2301 BGB), vom Vertrag zugunsten Dritter nach Todesfall (§§ 328, 331 BGB) und von der Zuwendung des einem Abkömmling entzogenen Anteils am Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft (§ 1514 BGB).

 

Rz. 2

Das Vermächtnis selbst kann nur durch Testament (§ 1939 BGB) oder Erbvertrag (§ 1941 BGB) angeordnet werden. Im Falle eines gemeinschaftlichen Testaments ist eine wechselbezügliche Anordnung möglich (§ 2070 Abs. 3 BGB).

 

Rz. 3

Der Vermächtnisnehmer erhält so durch die Vermächtnisanordnung einen Anspruch gegen den Beschwerten (§ 2147 BGB). In der Regel ist der Erbe der Beschwerte (§ 2147 S. 2 BGB). Ist der Vermächtnisnehmer mit einem Vermächtnis beschwert, liegt ein Untervermächtnis vor. Frühestens mit dem Erbfall entsteht der Vermächtnisanspruch des Bedachten (§§ 2176 ff. BGB). In Bezug auf eine vorweggenommene Hoferbfolge wird diese im Hinblick auf § 2176 BGB dem Erbfall gleichgestellt.[1] Der durch Erbvertrag eingesetzte Hoferbe haftet so für ein Vermächtnis auch dann, wenn er diesen im Wege der vorweggenommenen Hoferbefolge erhalten hat. Der Vermächtnisanordnung kommt dabei nur eine schuldrechtliche Wirkung zu. Der Bedachte erwirbt somit den ihm zugewendeten "Vermögensvorteil" (§ 1939 BGB) erst mit der Erfüllung des Anspruchs aus § 2174 BGB.

 

Rz. 4

Sofern sich die Anordnung eines Vermächtnisses aus dem Testament oder dem Erbvertrag nicht zweifelsfrei ergibt, ist dieses/dieser auszulegen (§§ 133, 2084 BGB). Zudem ist die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB anzuwenden. Die Bezeichnung der Zuwendung als "Erbe" oder "Vermächtnis" ist nicht zwingend für die Qualifizierung der Zuwendung. Werden dem Bedachten nur einzelne Gegenstände zugewendet, ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass er Erbe sein soll, auch wenn er als solcher bezeichnet ist (§ 2087 Abs. 2 BGB). Die Zuwendung eines bestimmten Gegenstandes ist in der Regel eine Vermächtnisanordnung.[2] Die Höhe des Vermächtnisses ist nicht beschränkt. Es kann daher auch den gesamten Nachlass aufzehren, ohne dass eine Erbeinsetzung anzunehmen ist.[3]

 

Rz. 5

Wendet der Erblasser sein Vermögen oder einen Bruchteil seines Vermögens dem Bedachten zu, ist die Verfügung in der Regel als Erbeinsetzung anzusehen. Dies gilt auch dann, wenn der Bedachte nicht als Erbe bezeichnet ist (§ 2087 Abs. 1 BGB). Wird diese Auslegungsregel widerlegt, spricht man von einem Universal- oder Quotenvermächtnis.

[1] BGH v. 6.6.1962 – V ZR 90/61, BGHZ 37, 192–194.
[2] BGH v. 6.12.1989 – IVa ZR 58/88, FamRZ 1990, 396–398; BayObLG v. 19.3.1998 – 1Z BR 82/97, FamRZ 1998, 1334–1335.
[3] BayObLG v. 19.12.1996 – 1Z BR 107/96, ZEV 1997, 162–164; OLG Düsseldorf v. 28.4.1995 – 7 U 113/94, ZEV 1995, 410, 411; OLG München v. 21.5.2007 – 31 Wx 120/06, ZEV 2007, 383–384.

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