Rz. 1

Die §§ 20502057a BGB werden in drei Situationen praktisch aktuell: bei der Auseinandersetzung zwischen Abkömmlingen, die kraft Gesetzes geerbt haben (bzw. in den Quoten des § 2052 BGB),[1] sowie im Fall des § 1503 BGB: Aufhebung der fortgesetzten Gütergemeinschaft; bei der Bemessung des Pflichtteils eines Abkömmlings in den Fällen des § 2316 BGB;[2] in der Kautelarpraxis vor der Frage, ob lebzeitige Zuwendungen des Erblassers ausgeglichen werden sollen oder wie eine bereits entstandene Ausgleichungspflicht wieder beseitigt werden kann. Die Problemlagen der forensischen Praxis ergeben sich daraus, dass das Gesetz an nahezu allen relevanten Punkten mit unbestimmten Begriffen arbeitet (etwa die Übermaßbestimmung in § 2050 Abs. 2 BGB u. die Begrifflichkeit des § 2057a BGB insgesamt), die Gestaltungsmöglichkeiten des Erblassers an keine Form knüpft, mangels irgendwelcher Fristen regelmäßig Sachverhalte aus lang vergangener Zeit aufzuarbeiten sind, und dies alles i.R.d. von Antragstellung und Komplexität her sehr unerfreulichen Erbteilungsklagen. Rspr. ist rar und äußert sich wenig grundsätzlich. Erfahrungswerte sprechen dafür, dass derartige Verfahren in den Tatsacheninstanzen zwangsverglichen werden.

 

Rz. 2

Die Kautelarpraxis sieht sich – und meist in bloßem Alltagsgeschäft (Vater schenkt etwa seinem Sohn einen Bauplatz)[3] – vor der Aufgabe, die Konsequenzen von bloßer Schenkung einerseits und ausgleichungspflichtiger Zuwendung andererseits, ferner die zahlreichen Nachteile der gesetzlichen Regelung aufzuzeigen.[4] Eine Empfehlung ist sinnvoll aber erst dann möglich, wenn der künftige Erblasser orientiert ist zu den Fragen, wer Erbe werden soll, was beim Erbfall noch vorhanden sein wird, ob Pflichtteilsergänzungsansprüche unerwünscht sind (und der Erblasser zuversichtlich sein kann, die nächsten zehn Jahre zu überleben), ob bereits ausgleichungspflichtige Zuwendungen vorgenommen wurden, ob die Zuwendung anfechtungs- bzw. insolvenzfest gestaltet (reine Schenkung unterfällt § 134 Abs. 1 InsO, § 4 Abs. 1 AnfG; für Ausstattungen gem. § 2050 Abs. 1 BGB ist diese Rechtsfolge umstritten)[5] und das schenkungsrechtliche Instrumentarium – etwa Widerrufsmöglichkeit, Notbedarfseinrede – gewährleistet bleiben soll. Der Aufklärungs- und Beratungsbedarf beim Unentschlossenen ist naturgemäß noch erheblicher.[6]

[1] § 2204 BGB stellt ausdrücklich klar, dass auch der Testamentsvollstrecker die Auseinandersetzung unter Beachtung dieser Vorschriften zu bewirken hat. Der Verstoß macht schadensersatzpflichtig, OLG München ZErb 2019, 119; näher Tanck, ZErb 2019, 142.
[2] OLG Schleswig NJW-RR 2013, 205; nicht jedoch bei § 2329 BGB, wenn ansonsten kein Nachlass zu verteilen ist, so KG ZErb 2011, 52, 53 unter (b) im Falle des § 2057a BGB.
[3] Zum Variantenreichtum allein dieser Ausgangslage vgl. Peter, BWNotZ 1986, 28 f.; umfassend Thubauville, MittRhNotK 1992, 289 ff.
[4] Ausführlich Nieder/Kössinger, § 2 Rn 255, wonach das Gesetz den Regelungszweck, Gleichbehandlung der Abkömmlinge, grundsätzlich u. in vielen einzelnen Konstellationen nicht erreicht.
[5] Vgl. für Anfechtbarkeit: Schmid, BWNotZ 1971, 29, 35; Sailer, NotBZ 2002, 81, 82; MüKo/v. Sachsen Gessaphe, § 1624 Rn 16 m. Nachw. entgegenstehender insolvenzrechtlicher Lit.: Gesichtspunkt der sittlichen Verpflichtung; nunmehr auch Palandt/Götz, § 1624 Rn 2; Rspr. ist nicht ersichtlich.
[6] Eingehend hierzu Schmid, BWNotZ 1971, 29; Nieder/Kössinger, § 2 Rn 278.

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