4.4.1 Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 InsO

4.4.1.1 Neues Recht

 

Rz. 705

Bis zum In-Kraft-Treten des MoMiG war das Recht der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen sowohl gesetzlich im Gesellschaftsrecht (in den jetzt weggefallenen §§ 32a, 32b GmbH a. F., § 172a HGB a. F.) und im Insolvenzrecht als auch durch komplizierte Rechtsprechungsregeln bestimmt.[1] Die jetzige Regelung[2] verlagert die gesamte Problematik des Eigenkapitalersatzrechts ausschließlich in das Insolvenzrecht. Grundgedanke der Regelung soll sein, den Organen und Gesellschaftern der GmbH einen einfachen Rechtsrahmen vorzugeben.[3]

 

Rz. 706

Durch § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG soll die Fortgeltung der sog. Rechtsprechungsregelungen zu eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen aufgegeben werden, indem generell angeordnet wird, dass Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Leistungen nicht wie haftendes Eigenkapital zu behandeln sind. Die Rechtsfigur des eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens wird damit obsolet. Tilgungsleistungen auf solche Forderungen können folglich keine nach § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG verbotenen Auszahlungen des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens mehr sein.

 

Rz. 707

Als Konsequenz der Aufgabe der Rechtsprechungsregeln kann künftig die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens nicht mehr unter Berufung auf eine analoge Anwendung des § 30 GmbHG verweigert werden. Sofern und soweit jedoch die Rückzahlung zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führt, kann die Gesellschaft ein auf § 64 Satz 3 GmbHG gestütztes Leistungsverweigerungsrecht geltend machen.[4] Zahlungen im Vorfeld der Insolvenz werden im Ein-Jahreszeitraum vor der Insolvenz von § 135 InsO erfasst. Des Weiteren ist zugunsten der Gläubiger für den Fall der Anfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens eine Korrektur der Anfechtungsfrist nach § 6 AnfG vorgesehen.

[1] Hierzu die Vorauflagen an dieser Stelle und Scholz/K.Schmidt, § 32b a. F.; Kritisch Meilicke, GmbHR 2007, S. 225 ff.
[2] Dazu Habersack, ZIP 2007, S. 2145 ff.
[3] Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs v. 23.5.2007, S. 96.

4.4.1.2 Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen

 

Rz. 708

In der Insolvenz sind gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO alle Forderungen der Gesellschafter auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, nachrangig. Bei der Frage was unter einer wirtschaftlichen Entsprechung zu verstehen ist, bleibt es bei der bisherigen Rechtslage und den von der Rechtsprechung bereits herausgebildeten Fallgruppen zu § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG a. F.[1] In Betracht kommen daher alle Finanzierungformen, die zu mittelbarer oder unmittelbarer Stützung der Gesellschaft durch Vermögen des Gesellschafters führen, soweit sie Kreditierungswirkung haben. Dazu zählen z. B. der Verkauf von Gütern an die Gesellschaft unter Eigentumsvorbehalt und Stundung der Kaufpreisforderung,[2] die Abtretung einer Eigentümergrundschuld zwecks Absicherung eines Drittkredits[3] oder die Stundung der Vergütung einer durch einen Gesellschafter erbrachten Dienstleistung für die Gesellschaft.[4] Grundsätzlich kann auch das bloße Stehenlassen eines bereits vorhandenen Darlehens[5] als eine der Darlehensgewährung entsprechende Rechtshandlung angesehen werden.

 

Rz. 709

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH konnte auch die bloße Gebrauchsüberlassung aufgrund eines Miet- oder Pachtverhältnisses dem Entsprechungsgrundsatz unterliegen.[6] Danach sollte ein Gesellschafter verpflichtet sein, der GmbH nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens unentgeltlich die Nutzung eines Gegenstandes bis zum Ende des Gebrauchsüberlassungsvertrags zu ermöglichen. Durch die Verlagerung der Problematik in das Insolvenzrecht findet diese Rechtsprechung keine Anwendung mehr: Gemäß § 135 Abs. 3 InsO kann dem Aussonderungsanspruch des Gesellschafters im Falle der Insolvenz nun längstens für ein Jahr ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens entgegengehalten werden, dass der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens notwendig ist. Anders als bisher ist dem Eigentümer dann aber eine Nutzungsentschädigung zu zahlen, wie sie in vergangenen Zeiträumen erfolgt ist.[7]

 

Rz. 710

Die Regelung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gilt gemäß § 39 Abs. 4 InsO auch für die Gesellschafter einer typischen GmbH & Co. KG, bei der es keine natürliche Person gibt, die den Gläubigern persönlich haftet. Für Gesellschafter der persönlich haftenden GmbH als mittelbare Gesellschafter der GmbH & Co. KG gilt § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in der Variante, dass deren Darlehen und sonstige Ansprüche als Forderungen angesehen werden, die einem Darlehen eines unmittelbaren Gesellschafters wirtschaftlich entsprechen.[8]

Der Nachrang von Gesellschafterforderungen in der Insolvenz der Gesellschaft gilt nicht für Gesellschafter, die mit 10 % oder weniger am Haftkapital beteiligt sind (sog. Kleinbeteiligtenprivileg, § 39 Abs. 5 InsO).

Erwirbt ein Gläubiger bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zwecke ih...

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