Rz. 734

Das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung hat grundsätzlich ein Verbot der Mittelansammlung zur Folge. Von dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung sind jedoch Ausnahmen zulässig, welche insbesondere die Rücklagenbildung erfassen. Durch den Ausschluss der Rücklagen von der zeitnahen Mittelverwendungspflicht ist es einer steuerbegünstigten Körperschaft möglich, Mittel im zulässigen Umfang anzusammeln, wodurch insgesamt die Leistungsfähigkeit der Körperschaft gewahrt werden soll. Der Begriff der Rücklagenbildung wird abgabenrechtlich für das Ansammeln von Mitteln verwendet. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass dieser nicht mit den Rücklagenbegriffen in den Handels- und Steuerbilanzen identisch ist. Der Rücklagenbegriff im Gemeinnützigkeitsrecht ist grundsätzlich weitreichender.[1144] Durch das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts wird die Systematik der Rücklagenvorschrift zum 1.1.2014 geändert. Inhaltlich wird die Rücklagenbildung künftig flexibler gestaltet.

 

Rz. 735

Die Auffassung, wonach die Bildung bestimmter Rücklagen nur steuerunschädlich ist, wenn sie auch in der Stiftungssatzung vorgesehen wird,[1145] ist abzulehnen und wird auch von der Finanzverwaltung nicht vertreten.[1146] Es handelt sich bei den Rücklagenbildungs-Vorschriften vielmehr um gesetzlich vorgesehene Möglichkeiten, die für alle gemeinnützigen Stiftungen gelten.

 

Rz. 736

Die Verwendung der Mittel einer steuerbegünstigten Körperschaft muss nach Ansicht der Finanzverwaltung durch eine Nebenrechnung nachgewiesen werden, sofern die Mittel nicht schon im Jahr des Zuflusses verwendet oder zulässigerweise zurückgestellt werden. Die Mittelverwendungsrechnung muss Informationen über Bildung, Verbrauch und Auflösung von Rücklagen enthalten.[1147]

 

Rz. 737

Die zulässigen Rücklagen sind grundsätzlich unabhängig voneinander und können, da sie unterschiedlichen Zwecken dienen, nebeneinander gebildet werden, soweit die jeweiligen Voraussetzungen vorliegen. Anderes gilt nur bezüglich der Konkurrenz der Rücklagen nach § 58 Nr. 7 lit. a und lit. b AO (ab 1.1.2014: § 62 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 AO).[1148]

 
Hinweis

Neue Rechtslage ab 1.1.2014

Auch eine Weiterleitung von zeitnah zu verwendenden Mitteln zur Vermögensausstattung einer anderen Körperschaft, die ab dem 1.1.2014 zulässig sein wird (vgl. § 58 Nr. 3 AO n. F.) schränkt unseres Erachtens die Möglichkeiten der Rücklagenbildung nicht ein. Bei der Vermögensausstattung einer anderen Körperschaft handelt es sich nach der künftigen Systematik nämlich gerade nicht um einer Rücklagenbildung, sondern um eine steuerlich unschädliche Betätigung im Rahmen der Mittelverwendung. Es besteht daher kein Konkurrenzverhältnis.

[1144] Vgl. zu den Rücklagenbegriffen im Einzelnen Rn. 739 ff.
[1145] Vgl. Fischer/Ihle, DStR 2008 S. 1692, 1695; Crezelius/Rawert, ZEV 2000, S. 421, S. 427.
[1147] Thiel, DB 1992, S. 1900; Vgl. auch Rn. 1140.
[1148] Siehe unter Rn. 750.

1.3.7.1 Freie Rücklagen

 

Rz. 738

Nach § 58 Nr. 7 lit. a AO (ab 1.1.2014: § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO) kann eine steuerbegünstigte Körperschaft in einem bestimmten Rahmen Mittel einer freien Rücklage, sogenannte allgemeine Leistungsrücklage, zuführen. Diese Mittel dürfen bis zu

  • höchstens einem Drittel aus Überschüssen der Vermögensverwaltung und
  • höchstens 10 Prozent aus den übrigen Vermögenssphären stammen.

Werden diese Höchstgrenzen in einem Jahr nicht in voller Höhe ausgeschöpft, wird es ab 1.1.2014 zulässig sein, die nicht ausgenutzten Differenzbeträge in den zwei Folgejahren nachträglich in die Rücklagen einzustellen. Bislang lehnt die Finanzverwaltung eine Nachholung der Rücklagenbildung ab.[1149]

 

Rz. 739

Überschüsse aus der Vermögensverwaltung

Die freien Rücklagen aus Mitteln der steuerlich begünstigten Vermögensverwaltung dürfen nicht auch aus Mitteln anderer Bereiche wie z. B. eines Zweckbetriebs gebildet werden. Aus der Vermögensverwaltung darf jährlich höchstens ein Drittel des Überschusses der Einnahmen über die Kosten aus der Vermögensverwaltung der freien Rücklage zugeführt werden.

 
Hinweis

Auch wenn Stiftungen hiermit die Möglichkeit eingeräumt wird, ihrer Bestandserhaltungspflicht nachzukommen, zeigt die Begrenzung auf ein Drittel, dass allein dieses "bescheidene Ziel" nach einem professionellen Vermögensmanagement verlangt. Bedenkt man, dass Anlagen in festverzinslichen Wertpapieren im Schnitt heute extrem niedrig verzinst werden, ergibt sich unterBerücksichtigung der Kosten ein Zuführungspotential, das in den meisten Jahren kaum als Inflationsschutz ausreicht.[1150] Das zeigt, wie wichtig ein professionelles Vermögensmanagement für Stiftungen ist.[1151]

 

Rz. 740

Unter Kosten sind die Aufwendungen zu verstehen, die die Körperschaft als Werbungskosten ansetzen könnte, wäre sie nicht steuerbefreit. Gewinne aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen, die der Vermögensverwaltung dienen, können nicht in die freie Rücklage eingestellt werden. Sie sind wie das aus Umschichtungen entstandene Vermögen zu behandeln und gehören daher nicht zu den zeitnah zu ver...

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