Rz. 721

Die Körperschaft hat ihre Mittel grundsätzlich zeitnah für ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke zu verwenden. Der Gesetzgeber will vermeiden, dass steuerbegünstigte Körperschaften Mittel lediglich mit dem Ziel der Mehrung des eigenen Vermögens ansammeln.[1118] Dieses Verbot wird nur durch die Bildung zulässiger Rücklagen gem. § 58 AO (ab 1.1.2014: § 62 AO n. F.) durchbrochen.

Die Verwendung erfolgt zeitnah, wenn die Mittel spätestens in den auf den Zufluss folgenden zwei Kalender- oder Wirtschaftsjahren für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 AO n. F.). Zum 1.1.2013 wurde diese Frist um ein Jahr verlängert und sollte grundsätzlich ausreichen, Mittel für gemeinnützige Zwecke zu verwenden, ohne dazu gezwungen zu sein, sie zu verschleudern. Sofern die Überlegungen zur Verwendung noch nicht abgeschlossen sind, berechtigt dies die Körperschaft weder, die Mittel in eine Projektrücklage einzustellen noch beim zuständigen Finanzamt eine Fristverlängerung für die Verwendung zu beantragen.[1119]

 

Rz. 722

Maßgeblich für die Berechnung der Mittelverwendungsfrist ist der Zeitpunkt des Zuflusses der Mittel, der in Anlehnung an den Zuflussbegriff des Einkommensteuergesetzes (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG) definiert wird. Danach liegt ein Zufluss erst vor, wenn Leistungen zur tatsächlichen Verfügungsmacht des Gläubigers erbracht worden sind. Über nicht ausgeschüttete Erträge kann eine Stiftung erst im Zeitpunkt der Fälligkeit bzw. der Veräußerung der entsprechenden Kapitalanlage verfügen. Vorher unterliegen nicht ausgeschüttete Erträge folglich auch nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung.[1120]

 
Hinweis

Zeitnahe Mittelverwendung bei Vermögensanlage in Hedgefonds

Vor dem Hintergrund des Gebots der zeitnahen Mittelverwendung ist es nicht unproblematisch, in Hedgefonds zu investieren. Hedgefonds und zahlreiche andere Fondsanlagen sind typischerweise rein thesaurierend ausgestaltet, sodass sie ihre Rendite über Wertsteigerungen und nicht über Ausschüttungen erzielen.[1121]

Stiftungen per se die Möglichkeit zu verwehren, in thesaurierende Fondsanlagen zu investieren, ließe indessen die positiven, sich aus der Diversifikation ergebenden Folgen außer Acht.[1122] Dennoch ist für gemeinnützige Stiftungen wichtig, über einen stetigen Zufluss von Erträgen verfügen zu können, da der Status der Gemeinnützigkeit seine Legitimation durch die Erzielung laufender Erträge und ihre zeitnahe Verwendung für den guten Zweck erfährt. Ähnlich der Problematik der verlustbringenden Anlage ist es auch hier sinnvoll, auf die Vermögensverwaltung insgesamt statt auf einzelne Anlageklassen abzustellen.[1123] Um den Status der Gemeinnützigkeit nicht zu gefährden, empfiehlt es sich indes, nur einen kleinen Teil des Portfolios in thesaurierende Fonds anzulegen.[1124] Gegebenenfalls ist das Vorgehen im Vorfeld mittels einer verbindlichen Auskunft des zuständigen Finanzamtes abzusichern.

[1118] Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit, S. 174. Vgl. zum Gebot der zeitnahen Mittelverwendung auch Richter, in Gedächtnisschrift Walz, S. 559 ff.
[1120] Richter/Sturm, in Richter/Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, § 7 Rn. 36.
[1121] Vgl. zur Vermögensanlage in Hedge-Fonds auch unten Rn. 776.
[1122] Richter/Sturm, in Richter/Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, § 7 Rn. 47.
[1123] Vgl. Richter/Sturm, in Richter/Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, § 7 Rn. 37.
[1124] Vgl. Richter/Sturm, a. a. O.

1.3.1 Zeitnah zu verwendende Mittel

 

Rz. 723

Soweit am Ende des Kalender- oder Wirtschaftsjahres Mittel noch vorhanden sind, müssen diese in der Bilanz oder Vermögensaufstellung zulässigerweise dem Vermögen oder einer Rücklage zugeordnet werden oder als in den beiden zurückliegenden Jahren zugeflossene Mittel, die im nächsten bzw. übernächsten Jahr für die steuerbegünstigten Zwecke zu verwenden sind, ausgewiesen sein. Damit ist überprüfbar, ob die Mittel zeitnah verwendet wurden bzw. ob sie zulässigerweise nicht der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen (AEAO Nr. 26 zu § 55 AO). Die zeitnahe Verwendung der Mittel ist durch eine sogenannte Mittelverwendungsrechnung nachzuweisen.[1125]

[1125] Vgl. dazu unten Rn. 1140. Siehe auch Thiel, DB 1992, S. 1900. Beispiele einer Mittelverwendungsrechnung finden sich bei Schröder, DStR 2005, S. 1238 ff. und Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit, S. 182 ff.

1.3.2 Nicht zeitnah zu verwendende Mittel

 

Rz. 724

Nicht zu den zeitnah zu verwendenden Mitteln gehört das Stiftungsvermögen, auch wenn der Stifter u. U. den Verbrauch für Stiftungszwecke zulässt. Das zulässigerweise verwertbare, insbesondere stiftungszivilrechtlich nicht gebundene Stiftungskapital kann steuerunschädlich langsam verwendet werden. Das Stiftungskapital unterliegt auch dann nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung, soweit es durch Umschichtungen im Rahmen der Vermögensverwaltung entstanden ist.[1126] Für die Abgrenzung zwisc...

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