Rz. 670

Der Gesellschaftsvertrag hat Vorrang vor erbrechtlichen oder testamentarischen Regelungen.[1] Ungewollte Gewinnrealisierungen durch Zwangsauflösung stiller Reserven ohne Zufluss entsprechender Liquidität von außen können sich ergeben, wenn die testamentarische Erbfolge nicht rechtzeitig mit den Beteiligungsverhältnissen am Unternehmensvermögen und dem Gesellschaftsvertrag abgestimmt wird. Beispielhaft sei hier an den Fall gedacht, dass beim Erbfall eines Kommanditisten sein an die GmbH & Co. KG verpachtetes Grundstück (= Sonderbetriebsvermögen) einerseits und seine Kommanditbeteiligung andererseits an verschiedene Personen vererbt werden.

Bei Kapitalgesellschaften fallen die Gesellschaftsanteile in die reguläre Erbmasse; bei Personengesellschaften können nur Personen in der Gesellschaft nachfolgen, wenn sich entsprechende Regelungen im Gesellschaftsvertrag finden.

Ist im Gesellschaftsvertrag keine Bestimmung für den Fall des Todes eines Kommanditisten enthalten, so geht der Anteil des Erblassers in eine Erbengemeinschaft über. Beim Erblasser sind die stillen Reserven als begünstigter Veräußerungsgewinn zu versteuern.

Bei gesellschaftsvertraglichen Klauseln zur Nachfolge (von Todes wegen) ist es für das Steuerrecht entscheidend, ob es zu einem Übergang der Gesellschaftsbeteiligung kommt (z. B. bei Nachfolgeklausel) oder ob die Beteiligung im Erbgang untergeht (z. B. Fortsetzungsklausel). Dabei ist stets die Einkommensteuer und die Erbschaftsteuer zu behandeln.

 

Rz. 671

Wird im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass beim Tode eines Gesellschafters die Gesellschaft nur unter den bisherigen übrigen Gesellschaftern fortgesetzt wird, so spricht man von einer sog. Fortsetzungsklausel.[2] Ertragsteuerlich realisiert der Erblasser durch Aufgabe seines Mitunternehmeranteils unter Anwachsung bei den verbleibenden Gesellschaftern einen begünstigten Veräußerungsgewinn in Höhe des Unterschieds zwischen dem Abfindungsanspruch und dem Buchwert seines Kapitalkontos zum Todeszeitpunkt. In entsprechender Höhe ergeben sich Anschaffungskosten für die übrigen bisherigen Gesellschafter. Hat der Erblasser Sonderbetriebsvermögen, so gilt dieses als in das Privatvermögen überführt; die Aufgabe einer Mitunternehmerschaft liegt vor. (Aufdeckung stiller Reserven im Sonderbetriebsvermögen).

Erbschaftsteuerlich wird der Abfindungsanspruch des Erben/der Erben dem Privatvermögen zugerechnet, d. h. die Verschonungsregeln der §§ 13a, 13b ErbStG greifen nicht. Bei den Mitgesellschaftern von Personengesellschaften, bei denen es zum Anwachsungserwerb kommt, sind die Verschonungsregeln des § 13a, 13b ErbStG dagegen anzuwenden, sofern die Voraussetzungen (Verwaltungsvermögenstest, Behaltefrist) gegeben sind.[3] Nach Götzenberger[4] wird es aber beim Ausscheiden von Gesellschaftern aus Kapitalgesellschaften, die mit nicht mehr als 25 % beteiligt sind, zur Besteuerung kommen, da die Verschonungsregelungen nicht greifen, wobei die Differenz zwischen dem Abfindungsanspruch und dem gemeinen Wert der Anteile die Bereicherung der verbleibenden Gesellschafter ist. Die aus der Anteilveräußerung resultierende Einkommensteuer ist Nachlassverbindlichkeit i. S. d. § 10 Abs. 5 ErbStG.

 

Rz. 672

Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass beim Tod eines Gesellschafters die Gesellschaft mit dem Erben, bei mehreren Miterben jedoch nur mit einem bestimmten Miterben, aber unverändert und in vollem Umfang fortgeführt wird, so liegt eine sog. qualifizierte Nachfolgeklausel vor.[5] Ertragssteuerlich folgen in den Fällen der sog. qualifizierten Nachfolgeklausel nicht alle Miterben, sondern nur einer oder einzelne von mehreren Miterben dem Erblasser in seiner Gesellschafterstellung nach. Dies hat zur Folge, dass nur die qualifizierten Miterben, nicht dagegen die nicht qualifizierten Miterben als Mitunternehmer anzusehen sind. Werden von den qualifizierten Erben an die nicht qualifizierten Miterben Abfindungen geleistet, entstehen deshalb weder Veräußerungsgewinne noch Anschaffungskosten. Daraus ergibt sich weiter, dass es mit dem Erbfall zu einer anteiligen Entnahme etwaigen Sonderbetriebsvermögens kommt, soweit das Sonderbetriebsvermögen auf nicht qualifizierte Miterben entfällt. Denn das Sonderbetriebsvermögen geht – im Gegensatz zum Gesellschaftsanteil – zivilrechtlich auf die Erbengemeinschaft als Ganzes über. Dies gilt auch, wenn bei einer zeitnahen Auseinandersetzung das Sonderbetriebsvermögen auf den qualifizierten Miterben übergeht. Der Entnahmegewinn ist dem Erblasser zuzurechnen, da der nicht qualifizierte Miterbe nicht Mitunternehmer geworden ist[6] Erbschaftsteuerlich sieht der BFH[7] die qualifizierte Nachfolgeklausel als sich "automatisch" vollziehende Teilungsanordnung an, mit der Folge, dass der qualifizierte Erbe gemäß § 3 ErbStG den ganzen Anteil erwirbt (Durchgangserwerb) mit anschließender gegenständlich begrenzter Erbauseinandersetzung,[8] nur der qualifizierte Erbe hat begünstigtes Vermögen i. S. d. § 13a Abs. 3, 13b Abs. 3, ihn allein treffen auch die Fol...

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