Leitsatz

  1. Beschlussfassung zur Videoüberwachung der Tiefgarage stellt selbst nach dort mehrfach erfolgten Diebstählen und Sachbeschädigungen eine erhebliche Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten dar
  2. Zur Abschreckung genügen auch Warnschilder und Kameraattrappen
 

Normenkette

§§ 6b, 28 Bundesdatenschutzgesetz

 

Kommentar

  1. Durch einstimmigen Beschluss der Richter des Landgerichts wurde die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München zurückgewiesen. Die Beklagten wurden als Gesamtschuldner in die Kosten des Berufungsverfahrens verurteilt. Der Streitwert wurde auf 10.000 EUR festgesetzt. Die Entscheidung des Landgerichts erging nach § 522 Abs. 2 ZPO; auf vorausgegangenen Hinweis der Kammer wurde Bezug genommen. Weitere Schriftsatzausführungen der Beklagtenpartei gaben zu einer anderweitigen Entscheidung keinen Anlass.
  2. Kameraüberwachung und Videoaufzeichnung stellen einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der den Genehmigungsbeschluss anfechtenden Kläger dar, der auch nicht durch überwiegende Belange der beklagten Miteigentümer gerechtfertigt ist. Von subjektiver Überempfindlichkeit der Klägerseite kann nicht gesprochen werden, da diese davon ausgehen mussten, stets in allen ihren Bewegungen zu jeder Zeit bei Aufenthalt in der Tiefgarage gefilmt zu werden. Damit können sie sich in der Tiefgarage nicht mehr frei und ungezwungen bewegen, was sich als schwerwiegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt (vgl. bereits BGH, Urteil v. 25.4.1995, VI ZR 272/94). Dies gilt selbst dann, wenn Einsichten in Videoaufzeichnungen nur im Fall einer Schadensmeldung erfolgen sollten, da hierauf Kläger keinen Einfluss haben und entsprechende Vorgaben auch nicht kontrollieren können. Die Überwachungsanlage rechtfertigt sich auch nicht dadurch, dass es in der Vergangenheit zu Autoaufbrüchen und Diebstählen dort gelagerter Gegenstände in der Tiefgarage gekommen ist, da im Rahmen einer Abwägung betroffener Rechtsgüter der Schutz allgemeiner Persönlichkeitsrechte gegenüber Interessen der Beklagten am Schutz ihres Eigentums überwiegt (insbesondere in einer großen Tiefgarage mit offensichtlich vielen Benutzern). Dies gilt umso mehr, als Taten bzw. Täter bei einer solchen Vielzahl von Nutzern kaum aufgezeichnet werden können.
  3. Zur Abschreckung sind insoweit Hinweisschilder auf eine Videoüberwachung und auch Kameraattrappen ausreichend. Wenn insoweit nachträglich noch vorgetragen wurde, dass es in unmittelbarer Nähe der Anlage jüngst auch zu Vergewaltigungen gekommen sei und Mitbewohnern Einbrecher in der Tiefgarage sogar direkt gegenübergestanden hätten, war dieser Vortrag vorliegend als verspätet zurückzuweisen.
  4. Die Überwachung ist auch nicht gemäß § 28 BDSG erlaubt. Neben Wahrung berechtigter Interessen darf hier auch kein Grund zur Annahme bestehen, dass schutzwürdige Interessen Betroffener überwiegen. Im Übrigen dürfen Daten grundsätzlich nicht gespeichert werden, wenn Betroffene – wie hier – widersprechen (vgl. Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 185. Ergänzungslieferung 2011, Rn. 9 zu § 28 BDSG).
Anmerkung

Der Nichtjurist ist sicher geneigt zu sagen: "Offensichtlich steht Datenschutz vorrangig vor Verbrecherschutz!" Allerdings sind auch mir Fälle in der Praxis bekannt geworden, dass z.B. in einer Landshuter Wohnanlage über eine versteckt installierte Videokamera ein jugendlicher Brandstifter in der Tiefgarage nach Brandlegung von der betreffenden Gemeinschaft/Verwaltung auf diese Weise ermittelt und festgenommen werden konnte. Alle Bewohner mussten hier für mehrere Tage evakuiert werden, da gemeinschaftliche Räume und auch Wohnungen erheblich verrußt waren und grundlegend saniert werden mussten. In einer anderen großen Münchner Wohnanlage wurden ebenfalls durch Videokamera-Aufzeichnungen fremde Drogensüchtige dingfest gemacht, nachdem man in Kellergängen Spritzen und Nadeln gefunden hatte. In beiden Fällen wurden die gemeinschaftlichen Initiativen und Ermittlungshilfen i. Ü. von der Polizei sehr begrüßt. Sicherheitsinteressen der Bewohner einer Eigentumswohnanlage sollten deshalb auch aus meiner Sicht zumindest den befristeten Einsatz solcher Überwachungskameras rechtfertigen, wenn auch mit gewissen datenschutzgesetzlichen Einschränkungen hinsichtlich der Auswertung von Aufzeichnungen und des Zeitraums der Speicherung solcher Filme einschließlich den Geboten baldiger Löschung (auch in Abwägung bestehender Grundrechte). Wer sich in Haus und Tiefgarage ordnungsgemäß verhält, hat doch nichts zu befürchten! Muss in solchen Fällen bereits erfolgter erheblicher Straftaten wirklich von einem unverhältnismäßigen Eingriff in Persönlichkeits- und Datenschutzrechte der anderen Mitbewohner gesprochen werden, wenn auf diese Weise vielleicht erwartungsgemäß mit Erfolg Straftäter dingfest gemacht werden können?

 

Link zur Entscheidung

LG München I, Beschluss vom 11.11.2011, 1 S 12752/11 WEG

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