Rz. 635

Allgemeines

Die Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters birgt eine Vielzahl von Problemen für die Gesellschaft. Die gesetzliche Abfindung zum wahren Wert der Beteiligung[1] kann für ein Unternehmen einen unerwünschten, wenn nicht sogar nachteiligen Liquiditätsverlust bedeuten. Unter Umständen wird betriebsnotwendige Substanz des Unternehmens angegriffen, so dass im äußersten Fall der Bestand der Gesellschaft durch das Ausscheiden eines Gesellschafters gefährdet ist.

 

Rz. 636

Die unterschiedlichen Bewertungsmethoden zur Ermittlung des wahren Werts einer Beteiligung können zu langwierigen und kostenaufwändigen Rechtsstreitigkeiten führen und machen im Übrigen die Folgen des Ausscheidens eines Gesellschafters für alle Beteiligten unüberschaubar.

Diesen Gefahren und Nachteilen einer Abfindung nach der gesetzlichen Regelung versucht man in der Praxis dadurch zu begegnen, dass für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters die Auseinandersetzung im Gesellschaftsvertrag geregelt wird. Durch gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln wird versucht, den Abfindungsanspruch eines ausscheidenden Gesellschafters wertmäßig zu beschränken.

 

Rz. 637

Dabei ist zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages nicht immer vorhersehbar, welche Methode für die verbleibenden Gesellschafter am günstigsten ist, da dies u. a. auch von der Ertragsfähigkeit des Unternehmens abhängt. So wird z. B. der mit einer Buchwertklausel[2] bezweckte Bestandsschutz nicht immer erreicht. Im Ausnahmefall kann der Buchwert sogar über dem Verkehrswert liegen. Das wird dann der Fall sein, wenn die Ertragsaussicht negativ ist und im Unternehmen sog. "negative stille Reserven" insbesondere aus dem Bereich sozialer Verpflichtungen (Rentenanpassung, latente Sozialplanverpflichtung) vorhanden sind.[3]

 

Rz. 638

Neben der wertmäßigen Beschränkung eines Abfindungsanspruchs wird auch häufig die Ratenzahlung des Abfindungsguthabens über einen längeren Zeitraum bei angemessener Verzinsung vereinbart, um den Liquiditätsverlust gering zu halten.[4] Eine zehn Jahre übersteigende Abfindungszeit ist in der Regel unzulässig.[5]

 

Rz. 639

Buchwertklausel

In der Praxis ist die gesellschaftsvertragliche Vereinbarung einer Abfindung zum Buchwert verbreitet. Die Rechtsprechung hält Buchwertklauseln grundsätzlich für zulässig und legt sie dahin gehend aus, dass eine Bewertung im Substanzwertverfahren erfolgt und die stillen Reserven sowie der Firmenwert unberücksichtigt bleiben. Offene Rücklagen und alle in der Bilanz als Rücklagen ausgewiesenen Posten sind zu berücksichtigen.[6]

 

Rz. 640

Grenzen der rechtlichen Zulässigkeit von Abfindungsklauseln

Allgemeines

Bei der Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit von Abfindungsvereinbarungen ist zwischen den verschiedenen Fällen des Ausscheidens eines Gesellschafters zu differenzieren.[7] Den vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten sind Grenzen gesetzt, die hier an einigen für die Praxis relevanten Beispielen dargestellt werden.

Ausschluss eines Gesellschafters ohne wichtigen Grund

Eine Buchwertklausel ist gemäß § 138 BGB nichtig, wenn sie für den Fall vereinbart ist, dass ein Gesellschafter ohne wichtigen Grund, nach freiem Ermessen der Gesellschaftermehrheit oder eines einzelnen Gesellschafters durch "Kündigung" ausgeschlossen werden kann.[8] In diesen Fällen der sog. "Hinauskündigungsklauseln"[9] stellt die Rechtsprechung strengere Anforderungen an die Zulässigkeit von Abfindungsvereinbarungen. Eine Abfindungsklausel ist unter diesen Umständen nur dann zulässig, wenn sie im Kern der gesetzlichen Regelung entspricht und im Wesentlichen zur Abgeltung des vollen Werts des Gesellschaftsanteils führt.[10]

Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund

Eine vertraglich vereinbarte Kürzung des Abfindungsanspruchs auf die Hälfte des buchmäßigen Kapitalanteils stellt grundsätzlich eine sittenwidrige Benachteiligung des ausscheidenden Gesellschafters dar.[11] Eine solche Regelung weicht so weit vom gesetzlichen Leitbild des § 738 BGB ab und bedeutet einen derart einschneidenden Eingriff in die Vermögensposition des ausscheidenden Gesellschafters, dass der Regelungszweck des § 738 BGB, dem Gesellschafter eine angemessene Abfindung zu sichern, dadurch vollkommen verfehlt werden würde.[12] Eine solche Abfindungsbeschränkung ist auch nicht im Hinblick auf die Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund zulässig.[13]

Sittenwidrige Kündigungsbeschränkung

Eine Buchwertklausel kann auch dann unzulässig sein, wenn sie in ihrer Wirkung einer unzulässigen Kündigungsbeschränkung i. S. d. § 723 Abs. 3 BGB gleichkommt. Gemäß § 723 Abs. 3 BGB, §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB sind Vereinbarungen nichtig, die das Kündigungsrecht eines KG-Gesellschafters beschränken. Eine Buchwertklausel entfaltet die Wirkung einer unzulässigen Kündigungsbeschränkung, wenn sie zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung "aufgrund wirtschaftlich nachteiliger Folgen, insbesondere wegen eines erheblichen Missverhältnisses zwischen Buchwert und wirklichem Wert, di...

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