Entscheidungsstichwort (Thema)

Baugenehmigung. Innenbereich. Rinderstall. Dorfgebiet. Lüftungsart. Trauf-First-Lüftung. Auflagen zur Baugenehmigung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein in einem Dorfgebiet gelegener Rinderstall mit einer in einem solchen Gebiet seit jeher üblichen Größe muß jedenfalls in der Regel nicht zum Schutz der Nachbarschaft mit einer sog. Zwangslüftung versehen werden.

 

Normenkette

BauGB § 34 Abs. 2; BauNVO § 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

VG Stuttgart (Urteil vom 07.09.1995; Aktenzeichen 6 K 4034/94)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7. September 1995 – 6 K 4034/94 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,– DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Entscheidung ergeht nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluß. Der Senat hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich (§ 130a VwGO). Die Klägerin wird durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Landratsamt die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 16.5.1983 für die Errichtung eines Boxenlaufstalls geändert, indem es die der Baugenehmigung beigefügten Auflagen Nr. 17 bis 19 aufgehoben und den entgegen diesen Auflagen erfolgten Einbau einer Trauf-First-Lüftung nachträglich genehmigt hat. Wie das Verwaltungsgericht richtig angenommen hat, würde die Klägerin durch diese Änderung der Baugenehmigung nur dann in ihren Rechten verletzt, wenn mit dem Einbau der nachträglich genehmigten Lüftung anstelle der vom Landratsamt ursprünglich geforderten Lüftung nach DIN 18910 für sie unzumutbare Nachteile verbunden wären und der angefochtene Bescheid deshalb zu ihren Lasten gegen § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO verstieße. Das ist jedoch nicht der Fall. Von dem mit Bescheid vom 16.5.1983 genehmigten Stall des Beigeladenen ausgehende, der Klägerin unzumutbare Geruchs- oder Geräuschbelästigungen sind auch dann nicht zu befürchten, wenn der Stall nicht über eine Zwangsentlüftung, sondern über eine Trauf-First-Lüftung verfügt. Auch das hat das Verwaltungsgericht richtig erkannt.

Die Eigenart der näheren Umgebung des Grundstücks des Beigeladenen, in der sich mehrere landwirtschaftliche Betriebe befinden, entspricht der eines Dorfgebiets im Sinn des § 5 BauNVO. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig. In einem solchen Gebiet sind nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe grundsätzlich zulässig. Das schließt allerdings nicht aus, daß auch in einem Dorfgebiet von einem landwirtschaftlichen Betrieb Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Gebiets in diesem unzumutbar sind, und ein solcher Betrieb deshalb gegen § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO verstößt. Bei der Anwendung dieser Vorschrift ist jedoch die gesetzliche Wertung in § 5 Abs. 1 S. 2 BauNVO zu beachten, wonach in einem Dorfgebiet auf die Belange der landwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten „vorrangig Rücksicht zu nehmen” ist. Mit dieser 1990 in die BauNVO eingefügten Bestimmung räumt der Verordnungsgeber der Landwirtschaft im Dorfgebiet einen gewissen Vorrang zu Lasten der Wohnnutzung ein. Entsprechend dieser normativen Wertung ist für die Annahme, ein für das betreffende Dorfgebiet typischer Betrieb mit traditioneller Tierhaltung verletze das Rücksichtnahmegebot, nur beim Vorliegen besonders gravierender Beeinträchtigungen der Nachbarschaft Raum (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 30.1.1995 – 5 S 908/94 – BauR 1995, 819). Beeinträchtigungen dieser Art sind im vorliegenden Fall nicht zu erkennen.

Der mit Bescheid vom 16.5.1983 genehmigte Stall des Beigeladenen dient zur Unterbringung von 34 Milchkühen und ca. 35 Stück Jungvieh. Eine solche Tierhaltung geht, wie das Verwaltungsgericht zu Recht bemerkt, nach Art und Größe nicht über das in einem Dorfgebiet seit jeher Übliche hinaus. Die im Entwurf vorliegende VDI-Richtlinie 3473 (Emissionsminderung Tierhaltung – Rinder) sieht erst für Betriebe ab einer Größe von 15 „geruchlich gewichteter Tierlebendmasse” eine Abstandsregelung vor. Anhand des Entwurfs der VDI-Richtlinie 3473 umgerechnet, erreicht die Tierhaltung des Beigeladenen den Faktor 10 und liegt damit deutlich unter dieser Bagatellgrenze.

Auch nach der Art der gehaltenen Tiere entspricht der Betrieb des Beigeladenen den in einem Dorfgebiet seit jeher üblichen Formen. Er ist insbesondere nicht zu vergleichen mit einer Schweinehaltung ähnlicher Größenordnung, da die Gülle von Schweinen ungleich stärkere und unangenehmere Geruchsimmissionen verursacht als die Gülle von Rindern. Diese unbestrittene Tatsache liegt auch dem genannten Entwurf der VDI-Richtlinie 3473 zugrunde. Zu der Annahme, es bedürfe anstelle der von ...

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