Entscheidungsstichwort (Thema)

Asyl und Aufenthaltsbeendigung

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 21.06.2000; Aktenzeichen 2 BvR 1989/97)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er begehrt seine Anerkennung als Asylberechtigter.

Mit Bescheid vom 27.09.1996 lehnte die Beklagte den Asylantrag des Klägers ab und forderte ihn zur Ausreise auf. Der Bescheid wurde dem Kläger am 04.10.1996 persönlich ausgehändigt. Am 18.11.1996 wurde der Kläger zur Fahndung ausgeschrieben, da seine Ausreisepflicht vollziehbar sei.

Am 27.11.1996 hat der Kläger Klage erhoben. Er beanstandet die Entscheidung der Beklagten und beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 27.09.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen sowie festzustellen, daß die Voraussetzungen der §§ 51 und 53 AuslG in seiner Person vorliegen.

Weiterhin beantragt der Kläger,

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist zu gewähren.

Ohne sein Verschulden sei er verhindert gewesen, die Klagefrist einzuhalten: Er habe am 07.10.1996 den Rechtsanwalt … mit der Wahrnehmung seiner Interessen betraut und beauftragt, Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 27.09.1996 einzureichen. Er habe dem Rechtsanwalt am selben Tage 200,– DM Vorschuß gezahlt sowie am 28.10.1996 weitere 50,– DM. Der Anwalt habe ihm zugesichert, rechtzeitig Klage zu erheben. Er habe dann einige Zeit nichts von Rechtsanwalt … gehört. Die Sache sei ihm komisch vorgekommen und er habe dann am 14.11.1996 die Unterlagen bei Rechtsanwalt … abgeholt. Über seinen derzeitigen Prozeßbevollmächtigten habe er dann erfahren, daß Rechtsanwalt … keine Klage erhoben habe.

Zur Glaubhaftmachung legt der Kläger zwei Quittungsbelege des Rechtsanwalts … über die vorgetragenen Vorschußzahlungen sowie eine handschriftliche Aufzeichnung des Rechtsanwalts … über das mit dem Kläger geführte Gespräch vor, das u.a. den Vermerk enthält „Frist ab 11.10.1996, Klage einreichen”.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

da sie unzulässig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge der Bezirksregierung Hannover sowie der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung der Kammer war.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig, denn sie ist nicht innerhalb der Klagefrist von zwei Wochen (§ 74 Abs. 1 AsylVfG) erhoben worden. Der mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung versehene Bescheid der Beklagten ist dem Kläger persönlich am 29.10.1996 zugestellt worden. Die Rechtsmittelfrist war damit abgelaufen, bevor der Kläger am 27.11.1996 Klage erhoben hat.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist kann dem Kläger nicht gewährt werden. Dies setzt nach § 60 Abs. 1 VwGO voraus, daß der Kläger ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist – hier die Klagefrist – einzuhalten. Daran fehlt es hier. Das Vorbringen des Klägers ist nicht geeignet, ein Verschulden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.

Die Kammer geht nach dem glaubhaften Vorbringen des Klägers davon aus, daß er, nachdem er den Bescheid am 29.10.1996 persönlich erhalten hat, am 07.10.1996 Rechtsanwalt … mit der Wahrnehmung seiner Interessen betraut und zugleich beauftragt hat, Klage gegen den Bescheid vom 27.09.1996 einzulegen. Zu dieser Klageerhebung ist es dann nicht gekommen. Nach den von dem Kläger vorgelegten Unterlagen über das mit dem Kläger geführte Gespräch hat auch Rechtsanwalt … den Eindruck erhalten, er solle Klage erheben. Die Kammer muß deshalb davon ausgehen, daß Rechtsanwalt … zum Prozeßbevollmächtigten des Klägers bestellt war. Dies bedeutet für den Kläger, daß er sich ein Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten nach § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen hat.

Der Kammer ist weiter nicht ersichtlich, aus welchem Grunde Rechtsanwalt … davon abgesehen hat, den ihm erteilten Klageauftrag nicht zu befolgen. Sie kann damit ein Verschulden dieses Prozeßbevollmächtigten nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausschließen.

In der Rechtsprechung ist geklärt, daß auch in Asylstreitverfahren die allgemeine Vorschriften über Rechtsbehelfsfristen und das Verfahren der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO und die insoweit bestehenden Sorgfaltspflichten der Parteien auch gegenüber Ausländern gelten. Soweit für die Versäumung der Rechtsbehelfsfristen das Verschulden eines Bevollmächtigten des Ausländers in Betracht kommt, steht dieses gemäß § 173 i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO dem Verschulden der Partei gleich (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1981 – 9 C 488.81 –, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 120; Urt. v. 23.11.1982 – 9 C 167.82 –, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 127; BVerfG, Beschl. v. 20.04.1982 – 2 BvL 26/81 –, NJW 1982, 2425).

Die Zurechnung des Verschuldens des Prozeßbevollmächtigten bei der Frage der Wiedereinsetzung in eine...

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