Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhältnismäßigkeit einer ärztlichen Untersuchung der Kraftfahreignung u.a. in Anknüpfung an das Alter des Fahrers (86 Jahre)

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4; VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 S. 1, Abs. 5; StVG § 2 Abs. 4 S. 1, Abs. 8, § 3 Abs. 1; FeV § 11 Abs. 2 Nr. 5, § 11 S. 3 Nr. 2, § 11 Abs. 6 S. 1, Abs. 8, § 46 Abs. 1, 3

 

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 11.9.2009 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4.9.2009 wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Streitwert wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der am … 1922 geborene Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegenüber dem Bescheid des Antragsgegners vom 4.9.2009, mit welchem ihm unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Klassen entzogen und unter Androhung von Verwaltungszwang aufgegeben worden ist, den Führerschein innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides abzuliefern.

Laut polizeilicher Verkehrsunfallanzeige der Polizeibezirksinspektion A…-Stadt verursachte der Antragsteller am 27.11.2008 gegen 20:10 Uhr auf dem Parkplatz in der Straße “Zur Stadthalle” in A…-Stadt einen Unfall mit leichtem Sachschaden. Zum Unfallhergang ist festgehalten, dass der Antragsteller seinen ordnungsgemäß geparkten Pkw aus einer Parklücke herausfuhr, vor dem weiteren Rangieren den angelaufenen Innenspiegel seines Fahrzeugs zu säubern begann, hierbei die erforderliche Sorgfalt außer acht ließ und deshalb mit seinem Pkw auf das dort ebenfalls ordnungsgemäß geparkte weitere unfallbeteiligte Fahrzeug aufrollte. Hierbei handelte es sich um ein ziviles Polizeifahrzeug. Zwei der zu ihrem Fahrzeug herbeigeeilten Polizeibeamten nahmen den Unfall auf, fertigten Lichtbilder an und verwarnten den Antragsteller mündlich.

Unter dem 30.11.2008 teilte die Polizeibezirksinspektion A…-Stadt dem Antragsgegner mit, dass der Antragsteller bei der Aufnahme des Unfalls erhebliche Ausfallerscheinungen gezeigt habe und der Verdacht bestehe, bei ihm liege eine “altersbedingte, körperliche und geistige Fahruntauglichkeit” vor. So sei der Eindruck entstanden, dass der Antragsteller den Sachverhalt nur schwerlich habe auffassen können, denn es habe ihm erst durch mehrmalige Erläuterungen verständlich gemacht werden können, dass er einen Unfall verursacht habe und dies durch die Polizei nun aufgenommen werde. Als der Antragsteller aufgefordert worden sei, seinen Pkw zwecks Inaugenscheinnahme um eine geringe Entfernung zurückzusetzen, sei dieser zum einen nicht in der Lage gewesen, die Aufforderung zu verstehen und habe zum anderen seinen Pkw nicht so bedienen können, dass die Gefahr einer weiteren Beschädigung des anderen unfallbeteiligten Fahrzeugs habe ausgeschlossen werden können. Der Antragsteller habe nämlich mehrmals anstelle des Rückwärtsganges den ersten Gang (zur Vorwärtsbewegung des Pkw) eingelegt. Nach der Unfallaufnahme habe der Antragsteller die Örtlichkeit mit seinem Pkw auffällig langsam fahrend verlassen.

Gestützt auf diese Mitteilung der Polizei forderte der Antragsgegner den Antragsteller erstmals unter dem 24.2.2009 auf, zum Nachweis seiner Kraftfahreignung ein ärztliches Gutachten beizubringen. Gegen diese Anordnung wandte sich der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigte, welche die Anordnung für nicht rechtmäßig, insbesondere weder anlassbezogen noch verhältnismäßig hielt. In der Folge entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung. Die aufschiebende Wirkung des hiergegen eingelegten Widerspruchs stellte das Verwaltungsgericht des Saarlandes mit Beschluss vom 19.6.2009 (10 L 353/09) wieder her mit der Begründung, dass die Anordnung hinsichtlich der Art des beizubringenden Gutachtens nicht hinreichend bestimmt und daher bereits aus formalen Gründen fehlerhaft sei. Daraufhin nahm der Antragsgegner seinen Bescheid über die Entziehung der Fahrerlaubnis zurück.

Mit Schriftsatz vom 16.7.2009 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, bis zum 14.9.2009 ein Gutachten eines Arztes/einer Ärztin einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 FeV beizubringen. Dazu legte er dar, dass im Hinblick auf die – von ihm wiedergegebene – Mitteilung der Polizei in A…-Stadt vom 30.11.2008 Bedenken hinsichtlich der körperlichen bzw. gesundheitlichen Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen bestünden und daher zur Überprüfung dessen Kraftfahreignung ein ärztliches Gutachten für erforderlich gehalten werde. Die konkrete Frage an den begutachtenden Arzt/die Ärztin laute: “Liegt bei Herrn … eine Erkrankung vor, die nach der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung in Frage stellt? Ist Herr … in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe I und II gerecht zu werden?” Des Weiteren nahm der Antragsgegner auf den seiner Anordnung beigefügten Erklärungsvordruck Bezug, ...

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