Leitsatz

Die konkludente oder ausdrückliche Zustimmung von Wohnungseigentümern zu einem von der Gemeinschaftsordnung abweichenden Gebrauch kann zur Verwirkung des sich aus §§ 985, 1004 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG ergebenden Herausgabe- und Räumungsanspruchs führen

 

Normenkette

§ 15 WEG

 

Das Problem

  1. Durch Teilungserklärung wurde für das Wohnungseigentum Nr. 4 (Eigentümer ist K) ein dingliches Sondernutzungsrecht mit einer Größe von ca. 314 m2, für das Wohnungseigentum Nr. 3 (Eigentümer ist B) ein dingliches Sondernutzungsrecht mit einer Größe von ca. 327 m2 begründet. B gebraucht seit 1999 einen Teil der Fläche, die Wohnungseigentum Nr. 4 zugewiesen ist.
  2. K klagt gegen B im Jahr 2013 auf Unterlassung. B hält K's Anspruch entgegen, dass sein Gebrauch einer 1999 getroffenen Vereinbarung entspräche. Alle Wohnungseigentümer hätten sich daran auch gehalten. Hintergrund sei eine Auseinandersetzung mit dem Verkäufer gewesen; dieser habe einen Ausgleich wegen zu geringer Grundstücksflächen durch Rückzahlungen des Kaufpreises an einzelne Erwerber abgelehnt. Aus diesem Grund habe man sich auf den derzeitigen "Grenzverlauf" geeinigt. K hätte ohne diese Anpassung einen weiteren Kaufpreis an den Verkäufer zahlen müssen, da er eine größere Fläche als im Kaufvertrag genannt erhalten habe. K's Anspruch sei außerdem verwirkt. Er verhalte sich treuwidrig, nachdem er seinen Anspruch mehr als 10 Jahre nicht geltend gemacht habe.
  3. K hält dem entgegen, B habe zwar eine Vereinbarung über den "Grenzverlauf" gewünscht. Sie sei aber nicht zustande gekommen. Er – K – habe jedenfalls nicht mitgewirkt und handele auch nicht treuwidrig. Eine frühere gerichtliche Auseinandersetzung mit B sei ihm aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen. Die Höhe der gezahlten Kaufpreise sei für das Verhältnis der Miteigentümer unerheblich.
 

Die Entscheidung

  1. Die Klage hat keinen Erfolg! K stehe kein Anspruch gemäß §§ 1004, 985 BGB in Verbindung mit § 15 Abs. 3 WEG auf Herausgabe und Räumung zu. Zwar lasse sich die von B behauptete Vereinbarung nicht feststellen. K's Anspruch sei aber verwirkt (§ 242 BGB).
  2. Eine Verwirkung setze voraus, dass seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, längere Zeit verstrichen und besondere Umstände hinzugetreten seien, welche die verspätete Geltendmachung des Rechts als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen ließen. So liege es hier. K sei B's Gebrauch in der jetzigen Form von Anfang an bekannt gewesen und habe diesen über einen sehr langen Zeitraum hinweg widerspruchslos hingenommen. Soweit er geltend mache, er habe allein aus finanziellen Gründen nicht schon früher gerichtlich vorgehen können, stehe dies einer Verwirkung nicht entgegen. Aus welchen Gründen er meinte, sich gegen B nicht durchsetzen zu können, sei unerheblich. Das Umstandsmoment liege darin, dass B durch eine Grenzziehung mit Granitsteinen und Anpflanzungen Vermögensdispositionen getroffen hatte.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Die Gerichte sind mit der Annahme, ein Recht sei verwirkt, immer schnell bei der Hand. In der Regel zu Unrecht und so auch hier. Vertretbar ist zwar, das Zeitmoment der Verwirkung anzunehmen. Es fehlt aber am Umstandsmoment: Dass B hoffte, K unternehme nichts mehr und Vermögensdispositionen getroffen hatte, war für die Annahme des Umstandsmoments notwendig, aber nicht ausreichend. K hätte bei B zudem das Vertrauen wecken müssen, er unternehme nichts. Im Zeitablauf liegt dieses Moment nicht. Vielmehr hätte sich K in dem Sinne äußern müssen, dass B sich zwar falsch verhalte, er – K – das aber nicht beanstande. Entsprechendes ist aber nicht festgestellt.
  2. K's Unterlassungsanspruch war freilich verjährt. Diese Einrede hatte B aber wohl nicht erhoben.
  3. Erstaunlich ist, dass das Landgericht als Anspruchsgrundlage §§ 1004, 985 BGB zitiert. K war nur Berechtigter an der Fläche, nicht ihr Eigentümer.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Pläne, aus denen sich der Grenzverlauf zwischen 2 Sondernutzungsrechten ergeben soll, müssen genau vermaßt sein. Lassen sich Plan und "Wirklichkeit" nicht in Übereinstimmung bringen, weichen sie zum Beispiel mehrere Meter voneinander ab, sind die Sondernutzungsrechte nicht entstanden.

 

Link zur Entscheidung

LG Hamburg, Urteil v. 9.7.2014, 318 S 120/13

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