Leitsatz

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Sachverständiger, der erfolgreich wegen Befangenheit abgelehnt wird, seinen Entschädigungsanspruch verliert.

 

Sachverhalt

In einem Verfahren vor dem LG machten die Kläger gegen die Beklagte restlichen Werklohn geltend. Durch Beweisbeschluss des LG vom 18.4.2001 wurde der Sachverständige Dr. Ing. mit der Erstellung eines Gutachtens im Hinblick auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag und den in diesem Zusammenhang zwischen ihnen streitigen Fragen beauftragt. In der mündlichen Verhandlung vom 22.8.2007 führte der Sachverständige aus, dass er dort wiedergegebene Kenntnisse aus seiner Tätigkeit in den 80er Jahren für die Firma X habe. Auf Nachfrage ergänzte er, dass er Geschäftsführer einer Firma gewesen sei, deren Gesellschafter zu je 50 % die Firma X und die Firma Y gewesen seien. Auf Antrag der Beklagten erklärte das LG den Sachverständigen durch Beschluss vom 18.12.2007 für befangen.

Auf Anregung der Bezirksrevisorin bei dem LG sowie auf Antrag der Beklagten hat das LG durch Beschluss vom 21.5.2008 dem Sachverständigen jegliche Vergütung für die von ihm erbrachten Leistungen versagt.

Gegen diesen Beschluss hat der Sachverständige Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, er habe für die Klägerseite keine früheren Tätigkeiten erbracht. Eine Befangenheit bestehe nicht. Der Sachverständige beantragte Zurückweisung des Antrages der Beklagten, ihm den Verlust eines Entschädigungsanspruchs auszusprechen und die ihm gewährte Entschädigung zurückzufordern.

Sein Rechtsmittel hatte Erfolg.

 

Entscheidung

Das OLG hielt die Beschwerde des Sachverständigen für zulässig und auch begründet. Das LG habe ihm zu Unrecht den Entschädigungsanspruch aberkannt.

Der Verlust der Entschädigung sei nur dann zu rechtfertigen, wenn die Ablehnungsentscheidung im Hinblick auf eine zumindest grob fahrlässige Pflichtwidrigkeit des Sachverständigen ergehe. Dies gelte uneingeschränkt für nach Übernahme des Gutachtenauftrages entstandene Ablehnungsgründe. Es sei nicht erkennbar, dass der Sachverständige nach Beauftragung in schuldhafter Weise die Unverwertbarkeit seiner Leistungen herbeigeführt habe.

Liege ein Verschulden, das die Unverwertbarkeit des Gutachtens herbeiführe, bereits bei Entgegennahme des Auftrages vor (Übernahmeverschulden), solle ein geringerer Maßstab gelten. Gemäß § 407a ZPO habe der Sachverständige bei der Entgegennahme des Auftrages unverzüglich zu prüfen, ob dieser in sein Sachgebiet falle. Ebenso habe er aber auch schon in diesem Verfahrensstadium auf einen möglicherweise in seiner Person liegenden Ablehnungsgrund hinzuweisen, damit die Parteien entscheiden könnten, ob sie gleichwohl die Begutachtung durch ihn wünschten. Versäume er diesen Hinweis und werde deshalb später mit Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, verwirke er seinen Entschädigungsanspruch selbst dann, wenn ihm nur einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei (vgl. OLG Koblenz MDR 2002, 1152: Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 413 Rz. 4 m.w.N.).

Das OLG kam im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass dem Sachverständigen ein Verschulden nicht vorzuhalten sei. Dieser sei bei Entgegennahme des Auftrages nicht gehalten gewesen, in der zwischen 1977 und 1979 erfolgten Geschäftsführertätigkeit für die Fa. Einen möglicherweise in seiner Person liegenden Ablehnungsgrund zu erkennen und auf diesen hinzuweisen. Allein der Umstand, dass das LG die Ablehnung des Sachverständigen ausgesprochen habe, begründe die Versagung der Entschädigung noch nicht.

Für eine der Parteien sei der Sachverständige unstreitig nicht tätig gewesen. Der Umstand, dass er für eine Firma tätig gewesen sei, an der die Muttergesellschaft der Klägerin zu 1) eine 50 %ige Beteiligung gehalten habe, begründe eine Befangenheit noch nicht. Die Unternehmen in der Bundesrepublik seien gerichtsbekannt in vielfältiger Weise konzernmäßig miteinander verflochten, ohne dass diese Verflechtungen in der Öffentlichkeit bekannt seien oder dort nachvollzogen werden könnten. Eine Besorgnis, dass die Loyalität eines Arbeitnehmers oder Geschäftsführers nicht nur seiner Beschäftigungsfirma, sondern auch noch einer der dahinter stehenden Beteiligungsfirmen gelte, bestehe allein im Hinblick auf die Abstraktheit des Beteiligungsverhältnisses nicht.

Im Übrigen sei bei der Beurteilung der Frage, ob dem Sachverständigen ein Verschulden vorzuhalten sei, zu berücksichtigen, dass seine Geschäftsführertätigkeit für die Firma bei Übernahme des Sachverständigenauftrages mehr als 20 Jahre zurückgelegen habe und die Relevanz eines solchen Vorgangs nicht mehr habe erkennbar sein müssen. Die Besorgnis einer Bindung an einen früheren Arbeitgeber sei nach einem solch langen Zeitraum ebenfalls nicht mehr zu begründen.

 

Link zur Entscheidung

OLG Rostock, Beschluss vom 16.07.2008, 2 W 31/08

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge