Unabdingbare Voraussetzung für eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümer ist, dass ihnen die Kompetenz eingeräumt ist, eine Angelegenheit durch Beschluss regeln zu können. Ein mangels Beschlusskompetenz gefasster und verkündeter Beschluss ist per se nichtig.[1]

 
Praxis-Beispiel

Keine Umzugspauschalen mehr möglich

Seit Inkrafttreten des WEMoG am 1.12.2020 sieht das Gesetz die Möglichkeit, schadensunabhängige Nutzungspauschalen zu beschließen, wie dies auf Grundlage von § 21 Abs. 7 WEG a. F. noch möglich war, nicht mehr vor. Zwar können Umzugspauschalen weiterhin vereinbart werden, entsprechende Beschlüsse wären demgegenüber mangels Beschlusskompetenz aber nichtig.

Entweder Gesetz oder Vereinbarung müssen den Wohnungseigentümern also eine Kompetenz zur mehrheitlichen Beschlussfassung zuweisen. Die Vereinbarung kann ihre Abänderung mittels Öffnungsklausel durch Beschluss zulassen.[2]

Reichweite gesetzlicher Beschlusskompetenz

Die Antwort auf die Frage nach der Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit eines Beschlusses, der auf Grundlage des Gesetzes gefasst werden soll, richtet sich danach, ob den Wohnungseigentümern eine entsprechende Beschlusskompetenz eingeräumt ist und wie weit diese Kompetenz reicht. Werden die Grenzen der eingeräumten Beschlusskompetenz eingehalten, ist ein auf Grundlage der entsprechenden gesetzlichen Norm gefasster Beschluss grundsätzlich nur anfechtbar (so freilich der Beschluss nicht an Nichtigkeitsgründen leidet, die nichts mit der Frage der Beschlusskompetenz zu tun haben, wie beispielsweise die bewusste Nichteinladung von Wohnungseigentümern, ein unbestimmter Beschlussinhalt oder ein in sich widersprüchlicher Beschlusswortlaut).

Wie aber erkennt der Leser des Gesetzestextes, wie weit die den Wohnungseigentümern eingeräumte Kompetenz zur Beschlussfassung tatsächlich reicht und ein darüber hinaus gehender Beschluss mangels Beschlusskompetenz nichtig wäre? Zu unterscheiden sind insoweit die Wörter "dürfen" und "können".[3]

 
Hinweis

Bedeutung des Wortes "dürfen"

Die Neuregelung in § 20 Abs. 4 WEG sieht auszugsweise Folgendes vor: "Bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, dürfen nicht beschlossen … werden ..."

Das Wort "dürfen" verdeutlicht, dass den Wohnungseigentümern eine Beschlusskompetenz eingeräumt ist, auch wenn die weiteren Einschränkungen überschritten bzw. missachtet werden, die letztlich die Grenzen billigen Ermessens oder auch ordnungsmäßiger Verwaltung im Rahmen einer Beschlussanfechtung aufzeigen. Auch dann, wenn also ein Beschluss über eine Maßnahme der baulichen Veränderung einzelne Wohnungseigentümer unbillig benachteiligt, ist er lediglich anfechtbar.

 
Hinweis

Bedeutung des Wortes "können"

Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG "können" die Wohnungseigentümer "für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen".

Mit dem Wort "können" wird die Grenze der Beschlusskompetenz definiert. Übertragen auf eine Kostenverteilungsänderung, kann also nur eine solche beschlossen werden, die sich auf einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten bezieht. Eine darüber hinausgehende Änderung des Kostenverteilungsschlüssels hätte die Beschlussnichtigkeit zur Folge. Würden die Wohnungseigentümer also den geltenden Kostenverteilungsschlüssel grundsätzlich abändern, wäre der Beschluss nichtig.

Den Wohnungseigentümern ist zwar in beiden Fällen eine Beschlusskompetenz eingeräumt, wird diese aber überschritten, führt dies im Fall des "Könnens" zur Beschlussnichtigkeit und im Fall des "Dürfens" zur Anfechtbarkeit des Beschlusses.

 
Praxis-Beispiel

Verwalterbestellung

Ein weiteres anschauliches Beispiel stellt die Modifizierung in § 26 Abs. 2 Satz 1 WEG bezüglich der Verwalterbestellung dar. Durch Ersetzen des Wortes "dürfen" im alten Gesetzestext durch das Wort "können", trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass eine Verwalterbestellung über die jeweilige gesetzlich mögliche Höchstdauer der Bestellung zur Teilnichtigkeit des Bestellungsbeschlusses führt, was gefestigter Rechtsprechung bereits nach altem Recht entsprach.

 
Praxis-Beispiel

Teilnichtigkeit bei Beiratsbestellung

Da in § 29 Abs. 1 Satz 1 WEG Wohnungseigentümer zu Mitgliedern des Verwaltungsbeirats bestellt werden "können", führt die Wahl und Bestellung eines Nichteigentümers nicht mehr nur zur Anfechtbarkeit des Beschlusses, sondern seit Inkrafttreten des WEMoG zur Beschlussnichtigkeit. Insoweit hat sich die Rechtslage geändert, da nach altem Recht lediglich von einer Anfechtbarkeit des Beschlusses über die Bestellung eines Nichtwohnungseigentümers zum Verwaltungsbeirat ausgegangen wurde.

Das Gesetz selbst verleiht folgende Beschlusskompetenzen:

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