Gemäß § 10 Abs. 2 WEG kann jeder Wohnungseigentümer eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Der Wohnungseigentümer kann also unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 WEG einen Anspruch auf Zustimmung zum Abschluss einer Vereinbarung haben, die eine bestehende Vereinbarung oder aber auch eine gesetzliche Regelung abändert. Die entsprechende Anpassung kann insoweit auch durch Aufhebung einer vereinbarten Regelung erfolgen. Der Anspruch setzt im Übrigen nicht voraus, dass sich tatsächliche oder rechtliche Umstände nachträglich verändert haben. Der Anspruch kommt vielmehr auch dann in Betracht, wenn Regelungen der Gemeinschaftsordnung von Anfang an verfehlt oder sonst unbillig waren ("Geburtsfehler").[1]

Voraussetzung für die Änderung einer abdingbaren gesetzlichen Bestimmung oder einer bestehenden Vereinbarung ist, dass diese aus schwerwiegenden Gründen unbillig erscheint. So ist es etwa unbillig i. S. v. § 10 Abs. 2 WEG, wenn eine Vereinbarung zur Folge hat, dass der Wohnungseigentümer von substanzlosen Miteigentumsanteilen bei einem Stimmrecht, das an die Wohnflächen anknüpft, ein Stimmrecht nach der Größe der – fiktiven – Wohnfläche hat und dies zu einer erheblichen Herabsetzung der Stimmkraft führt.[2]

 
Praxis-Beispiel

"Substanzloser" Miteigentumsanteil

Substanzlos kann ein Miteigentumsanteil insbesondere dann sein, wenn das mit ihm verbundene Sondereigentum nicht sondereigentumsfähig ist oder ein Miteigentumsanteil mit einem nicht ausreichend bestimmten Sondereigentum verbunden wird. Weiter kann ein substanzloser Miteigentumsanteil dann vorhanden sein, wenn bei der tatsächlichen Bauausführung vom Aufteilungsplan in einer Weise abgewichen wird, die es unmöglich macht, die errichteten Räume einer in dem Aufteilungsplan ausgewiesenen Raumeinheit zuzuordnen. Substanzlose Miteigentumsanteile entstehen auch in den Fällen, in denen etwa nach Teilungserklärung und Aufteilungsplan vorgesehene Sondereigentumseinheiten (noch) nicht errichtet sind. Ist insoweit beispielsweise die Errichtung einer Mehrhausanlage bestehend aus 3 Gebäuden vorgesehen und wird eines davon (noch) nicht errichtet, sind die den Sondereigentumseinheiten dieses Hauses zugewiesenen Miteigentumsanteile substanzlos.

Von erheblicher Bedeutung können auch Vereinbarungen über die Zweckbestimmung des Sondereigentums sein, die die Nutzungsmöglichkeiten entgegen der ursprünglichen Intention des teilenden Eigentümers und der konkreten Ausstattung der Eigentumseinheiten in unzumutbarer Weise beschränken. Auch hier kommt ein Anspruch auf Abänderung der Vereinbarung nach § 10 Abs. 2 WEG in Frage.[3]

Mit Blick auf eine Änderung gesetzlicher Bestimmungen könnte an diejenige des § 16 Abs. 2 WEG zu denken sein, nach der die Kostenverteilung nach Miteigentumsanteilen erfolgt. Und auch eine derartige kann zu unbilligen Ergebnissen führen. Geht es allgemein um Fragen der Kostenverteilung, wird eine Unbilligkeit allerdings dem Grunde nach erst dann bejaht, wenn der einzelne Wohnungseigentümer über 25 % mehr belastet ist als bei einer interessengerechten Kostenverteilung.[4] Dies allein ist aber noch nicht entscheidend und führt nicht per se zu einem Änderungsanspruch.

 
Praxis-Beispiel

Die mehrbelastete Teileigentumseinheit

Ein Wohnungseigentümer ist Eigentümer einer Büroeinheit. Die (Wohn-)Fläche dieser Einheit entspricht 10 % der Gesamtwohnfläche, allerdings repräsentiert sie 175/1.000 Miteigentumsanteile, also 17,5 % der Miteigentumsanteile. Die Kostenverteilung erfolgt nach der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 2 WEG nach Miteigentumsanteilen. Der Büroeigentümer ist also zu ca. 70 % gegenüber einer Kostenverteilung nach Wohnfläche mehr belastet.

Da ein schwerwiegender Grund, von der gesetzlichen[5] oder der in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten Verteilung der Kosten nach Miteigentumsanteilen abzuweichen, voraussetzt, dass der geltende Verteilungsschlüssel für den die Änderung verlangenden Eigentümer zu einer erheblich – grundsätzlich mindestens um 25 % – höheren Belastung als eine Verteilung der Kosten nach den Wohn- oder den Nutzflächen führt, ist dieser Schwellenwert bei einer Abweichung von mehr als 70 % weit überschritten.

Allerdings begründet diese erhebliche Mehrbelastung allein noch nicht einen Anspruch nach § 10 Abs. 2 WEG auf Änderung des Kostenverteilungsschlüssels. Das Maß der Belastung ist nämlich nicht das alleinige Kriterium für die Beurteilung der Unbilligkeit des Festhaltens an dem vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel.[6] Vielmehr bedarf es einer Abwägung der gesamten Umstände des Einzelfalls. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass

  • die vermeintlich oder tatsächlich nicht sachgerechte Kostenbelastung bereits bei Erwerb des Büros durch den Wohnungseigentümer erkennbar war;
  • die Nutzung ...

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