Leitsatz

Die Bestellung einer Person zum Verwalter der Wohnungseigentumsanlage entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Wohnungseigentümer von anderen Personen keine alternativen Angebote eingeholt haben.

 

Normenkette

§§ 21 Abs. 4, 26 Abs. 1 Satz 1 WEG

 

Das Problem

  1. In einer Wohnungseigentumsanlage gibt es keinen Verwalter und auch keinen Verwaltungsbeirat. Zu einer Versammlung lädt deshalb Wohnungseigentümerin F ein. Diese hatte zuvor von einer Person, die bereit ist, sich in der Wohnungseigentumsanlage als Verwalter bestellen zu lassen, ein Angebot eingeholt. Mit ihrer Ladung fordert F die übrigen Wohnungseigentümer auf, gegebenenfalls Alternativangebote vorzulegen. Von dieser Möglichkeit machen die anderen Wohnungseigentümer aber keinen Gebrauch. In der Versammlung bestellen die Wohnungseigentümer den von F ausgesuchten Bewerber.
  2. Gegen diese Bestellung geht Wohnungseigentümer K vor. Er meint, die Bestellung entspreche unter anderem deshalb keiner ordnungsmäßigen Verwaltung, weil keine weiteren Angebote eingeholt worden seien.
 

Die Entscheidung

  1. Mit Erfolg! V's Bestellung entspreche nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Die Wohnungseigentümer hätten auf die Einholung von Alternativangeboten verzichtet. Damit hätten sie ihren Beurteilungsspielraum überschritten. Die Wohnungseigentümer hätten ihre Auswahlentscheidung auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage vorgenommen. Es entspreche gefestigter Rechtsprechung, dass vor der erstmaligen Bestellung eines Verwalters Alternativangebote anderer Verwalter eingeholt werden müssen und diese Angebote an die Wohnungseigentümer übersandt werden müssen (Hinweis auf BGH v. 1.4.2011, V ZR 96/10, WuM 2011 S. 387). Denn nur durch die Alternativangebote könne den Wohnungseigentümern aufgezeigt werden, welche Unterschiede zwischen den Angeboten bestehen, und woran sie bei rein rechnerischer Betrachtung mit den verschiedenen Verwaltern seien. Darüber hinaus träten Schwächen in der Leistungsbeschreibung nur durch die Einholung von Alternativangeboten zutage. Erst durch die Vorlage von Alternativangeboten könnten die Wohnungseigentümer eine sachgerechte Entscheidung zur Verwalterwahl treffen und den ihnen insoweit zustehenden – weiten – Beurteilungsspielraum sachgerecht ausüben. Fehle es an der Einholung von Alternativangeboten, beruhe die Auswahlentscheidung auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage. In diesem Fall überschritten die Wohnungseigentümer ihren Beurteilungsspielraum.
  2. Dem stehe es nicht entgegen, dass vor der Wahl in der Wohnungseigentumsanlage weder ein Verwalter noch ein Verwaltungsbeirat bestellt gewesen sei und F die anderen Wohnungseigentümer aufgefordert hatte, Alternativangebote vorzulegen. Da ersichtlich zum Zeitpunkt der Versammlung kein Wohnungseigentümer von der Möglichkeit der Einholung von Alternativangeboten Gebrauch gemacht hatte, wäre es Sache der Wohnungseigentümer auf der Versammlung gewesen, zu bestimmen, auf welche Art und Weise eine hinreichende Beurteilungsgrundlage geschaffen wird, auf der die Wohnungseigentümer ihre Auswahlentscheidung sachgerecht treffen können (Hinweis auf BGH v. 22.6.2012, V ZR 190/11, WuM 2012 S. 519). Dies sei nicht geschehen. Die reine Aufforderung an die Wohnungseigentümer, gegebenenfalls eigene Vorschläge zu unterbreiten, genüge insoweit nicht. Denn wenn diese Aufforderung – wie im Fall – folgenlos bleibe, werde der Zweck der Alternativangebote, nämlich den Wohnungseigentümern die Stärken und Schwächen der Leistungsangebote aufzuzeigen, nicht erreicht. Insoweit wäre es Aufgabe der Wohnungseigentümer gewesen, spätestens in der Versammlung dafür Sorge zu tragen, dass ihnen bei einer Folgeversammlung Alternativangebote vorliegen, auf deren Basis sie eine sachgerechte Auswahl hätten treffen können.
  3. Alternativangebote seien auch nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil sich die Mehrheit der Wohnungseigentümer bereits im Vorfeld der Versammlung auf den später gewählten Verwalter verständigt hatte. Auch insoweit gelte, dass erst durch die Vorlage von Alternativangeboten eine sachgerechte Beurteilung des Angebots des Verwalters erfolgen könne und erst so eine ermessensfehlerfreie Wahl möglich sei.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums haben die Wohnungseigentümer ein Ermessen. Dieses "Ermessen" besteht in 2 Richtungen: Die Wohnungseigentümer können grundsätzlich wählen, ob sie eine zulässige Maßnahme überhaupt treffen wollen (Entschließungsermessen). Hier spricht man vom "Ob". Und zum anderen haben die Wohnungseigentümer ein Ermessen, welche von mehreren zulässigen Maßnahmen sie im Fall des Tätigwerdens ("Ob") ergreifen wollen. Hier spricht man vom "Wie". Sowohl beim "Ob" als auch beim "Wie" kann sich Ermessen auf "Null" reduzieren. Dies meint, dass man im Einzelfall in einer ganz bestimmten Art und Weise handeln muss.
  2. Die Wohnungseigentümer müssen bei einer Ermessensausübung immer versuchen, sämtliche Vor- und Nachteile abzuwägen und ihre möglicherweise gegenläufigen Interessen und die...

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