Leitsatz

Den Wohnungseigentümern kann das Wissen des Verwalters bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche als eigene Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB entsprechend § 166 BGB zugerechnet werden, wenn es sich um gemeinschaftsbezogene Ansprüche im Sinne von § 10 Abs. 6 Satz 3 Fall 1 WEG handelt oder wenn die Wohnungseigentümer der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Ansprüche der Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Fall 2 WEG zur Ausführung zugewiesen haben. Die Zurechnung der Kenntnis des Verwalters wirkt im Fall des § 10 Abs. 6 Satz 3 Fall 2 WEG nicht auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung zurück

 

Normenkette

§ 1004 Abs. 1 BGB; § 15 Abs. 3 WEG

 

Das Problem

  1. Neben einem von 3 Gebäuden einer Wohnungseigentumsanlage befand sich ursprünglich eine Freifläche. Zu einem streitigen Zeitpunkt vor einer Begehung des Gebäudes durch die Verwalterin V am 22.7.2005 wurde dort eine Betonfläche als Grundlage einer Terrasse angelegt – zu deren Vollendung es aber nicht kam.
  2. Auf ihrer Versammlung am 11.5.2009 beschließen die Wohnungseigentümer, dass die Betonfläche zu beseitigen ist und der Erbauer sie auf eigene Kosten zurückzubauen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen habe. V sollte den Rückbau schriftlich verlangen und bei fruchtlosem Verstreichen der Frist vor Gericht durchsetzen.
  3. Mit der am 31.12.2009 eingegangenen Klage verlangt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdW) von Wohnungseigentümer B den Rückbau der Fläche. Dieser beruft sich auf Verjährung. Das Amtsgericht Essen-Borbeck weist die Klage ab. Die Berufung der GdW zum Landgericht Dortmund bleibt erfolglos. Der Beschluss vom 11.5.2009 biete keine taugliche Grundlage für den verlangten Rückbau. Er sei nichtig, weil er nicht erkennen lasse, wer zum Rückbau verpflichtet werden solle (Hinweis auf Elzer, in Jennißen: 3. Aufl. 2012, Vor §§ 23 bis 25 WEG Rn. 13). Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB und aus § 15 Abs. 3, § 14 Nr. 1 WEG seien verjährt. Die Verjährung habe mit Herstellung der Betonfläche und damit spätestens Ende des Jahres 2005 begonnen. Die Wohnungseigentümer müssten sich V's Wissen zurechnen lassen. V sei ihre Wissensvertreterin.
  4. Mit der Revision verfolgt die GdW ihr Anliegen weiter.
 

Die Entscheidung

  1. Die Sache sei noch nicht entscheidungsreif, das Berufungsurteil sei deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Dortmund zurückzuweisen.
  2. Richtig sei allerdings, dass sich der von der GdW geltend gemachte Beseitigungsanspruch nicht auf den Beschluss vom 11.5.2009 stützen lasse. Es sei schon zweifelhaft, ob er eine eigenständige Beseitigungspflicht begründen sollte. Das müsse aber nicht entschieden werden. Mit einem solchen Inhalt wäre der Beschluss jedenfalls mangels Beschlusskompetenz nichtig gewesen. Wohnungseigentümer können durch Beschluss zu Leistungen nur verpflichtet werden, soweit das in Gesetz, Gemeinschaftsordnung oder in diese ergänzenden Vereinbarungen vorgesehen sei (Hinweis auf BGH v. 15.1.2010, V ZR 72/09, NJW 2010 S. 3093 Rn. 10 und BGH v. 18.6.2010, V ZR 193/09, NJW 2010 S. 2801 Rn. 10). Hieran fehle es jeweils.
  3. Die von der GdW geltend gemachten Ansprüche nach § 1004 Abs. 1 BGB einerseits und aus § 15 Abs. 3 WEG andererseits seien hingegen nicht verjährt. Richtig sei, dass diese Ansprüche nach § 1004 Abs. 1 BGB auch bei der Störung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht nach § 902 BGB unverjährbar seien (Hinweis unter anderem auf BGH v. 28.11.2011, V ZR 141/10, NJW 2011 S. 1068 Rn. 6, BGH v. 28.11.2011, V ZR 147/10, NJW 2011 S. 1069 Rn. 12 und Lehmann-Richter, in: Elzer/Fritsch/Meier, Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl. 2014, § 3 Rn. 124). Die Verjährung sei nach den bislang getroffenen Feststellungen aber nicht mit dem Ende des Jahres 2008 abgelaufen.
  4. Die Verjährung nach § 199 Abs. 1 BGB beginne vorbehaltlich hier nicht einschlägiger Sonderregelungen mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Beides hätte bis zum Ablauf des 31.12.2005 eintreten müssen, weil die Verjährung sonst nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO rechtzeitig gehemmt worden wäre. So liege es nicht.
  5. Die Beseitigungsansprüche seien allerdings vor dem 31.12.2005 entstanden. Ein Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB entstehe nämlich mit der Beeinträchtigung des (gemeinschaftlichen) Eigentums. Diese liege schon in der rechtswidrigen baulichen Veränderung, nicht erst in deren Vollendung oder in dem späteren Auftreten von Gefahren (Hinweis auf BGH v. 7.4.2006, V ZR 144/05, NJW-RR 2006 S. 1496 Rn. 16). Dass sämtliche Wohnungseigentümer vor dem 31. Dezember 2005 von der Anlegung der Betonfläche und von der Person dessen, der dies veranlasst hat, Kenntnis erlangt hätten, sei aber nicht festgestellt. Nicht festgestellt sei ferner, dass und aus welchen Gründen die Wohnungseigentümer bis zum 31.12.2005 ohne grobe Fahrlässigkeit hiervon hätten ...

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