Leitsatz

Macht der Verwalter aufgrund einer vereinbarten Ermächtigung, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vertreten zu können, namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Anspruch geltend, der zuvor vergemeinschaftet werden müsste, trifft ihn kein grobes Verschulden.

 

Normenkette

§ 49 Abs. 2 WEG

 

Das Problem

Verwalter V erhebt namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen Wohnungseigentümer B Klage auf Unterlassung. Er meint, hierzu berechtigt zu sein, weil der jeweilige Verwalter nach der Gemeinschaftsordnung (= einer Vereinbarung) ermächtigt ist, die den Eigentümern aus ihrem Miteigentum am Grundstück zustehenden, sich aus dem Eigentum ergebenden Ansprüche und Rechte gerichtlich geltend zu machen. Die Klage wird abgewiesen. Das Amtsgericht legt V die Kosten mit der Begründung auf, er habe die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht vertreten können. Gegen diese Entscheidung beschwert sich V.

 

Die Entscheidung

  1. Mit Erfolg! Die Kosten seien der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aufzuerlegen. Gemäß § 49 Abs. 2 WEG könnten dem Verwalter die Prozesskosten auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft. Ein grobes Verschulden setze mindestens grobe Fahrlässigkeit voraus (Hinweis auf Klein, in Bärmann, WEG, 12. Auflage 2013, § 49 Rn. 24), die bei einem Handeln unter Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße, bei dem dasjenige unbeachtet geblieben sei, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, bejaht werde (Hinweis auf BGH v. 13.12.2004, II ZR 17/03, Rn. 16). Es müsse sich auch subjektiv um eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung handeln (Hinweis auf LG Karlsruhe v. 15.9.2011, 11 T 302/11).
  2. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. V habe mit der Erhebung der Klage namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer jedenfalls nicht grob fahrlässig gehandelt. Zwar sei der Verwalter nicht kraft Gesetzes berufen, Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichtlich geltend zu machen. Es sei grundsätzlich Sache der Wohnungseigentümer, darüber zu befinden, ob ein Prozess geführt werde (Hinweis auf BGH v. 1.6.2012, V ZR 171/11, Rn. 6). Allerdings könnten die Wohnungseigentümer den Verwalter durch Beschluss oder Vereinbarung bevollmächtigen, ihnen oder der Gemeinschaft zustehende Ansprüche gerichtlich durchzusetzen (Hinweis auf BGH v. 1.6.2012, V ZR 171/11, Rn. 6). Dabei könnten die Wohnungseigentümer dem Verwalter die erforderliche Ermächtigung auch in "allgemeiner Form in der Gemeinschaftsordnung" erteilen (Hinweis auf BGH v. 1.6.2012, V ZR 171/11, Rn. 9). Verwalter V habe nach der Gemeinschaftsordnung davon ausgehen dürfen, Beseitigungsansprüche der Wohnungseigentümer durchzusetzen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne zwar nur vergemeinschaftete Unterlassungsansprüche durchsetzen (Hinweis auf BGH v. 1.6.2012, V ZR 171/11, Rn. 10 und v. 7.2.2014, V ZR 25/03, Rn. 6). V's Irrtum stelle aber subjektiv keine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung dar. Denn ausgehend von der Zulässigkeit einer allgemeinen Ermächtigung sowie dem Wortlaut der Gemeinschaftsordnung hätte es nicht jedem einleuchten müssen, dass die Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Fall eines Beseitigungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB hiervon nicht umfasst sei.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist in den meisten Bereichen rechts- und parteifähig. Sie kann daher eigene Rechte einklagen. Vertreten wird sie durch die Wohnungseigentümer (§ 27 Abs. 3 Satz 2 WEG), wenn die Wohnungseigentümer den Verwalter nicht nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG ermächtigt haben.

    § 27 Abs. 3 WEG

    (3) Der Verwalter ist berechtigt, im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und mit Wirkung für und gegen sie

    […]

    7. sonstige Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, soweit er hierzu durch Vereinbarung oder Beschluss der Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit ermächtigt ist.

    Fehlt ein Verwalter oder ist er zur Vertretung nicht berechtigt, so vertreten alle Wohnungseigentümer die Gemeinschaft. Die Wohnungseigentümer können durch Beschluss mit Stimmenmehrheit einen oder mehrere Wohnungseigentümer zur Vertretung ermächtigen.

    Diese Ermächtigung kann beschlossen oder vereinbart sein. Eine Vereinbarung kann bereits – wie im Fall – Teil der Gemeinschaftsordnung sein. Soweit das Landgericht die Gemeinschaftsordnung zitiert, war der jeweilige Verwalter allerdings nur ermächtigt worden, "die den Eigentümern aus ihrem Miteigentum am Grundstück zustehenden, sich aus dem Eigentum ergebenden Ansprüche und Rechte gerichtlich geltend zu machen". Dass hierin eine Ermächtigung liegt, im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu klagen, ist eine jedenfalls mutige Auslegung.

  2. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann als gesetzliche Prozessstandschafterin gemeinschaftsbezogene Rechte der Wohnungseigentümer einklagen. Insoweit müssen die Wohnungseigentümer beschließen, dass di...

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