Rz. 300

Ferner muss auch dem in § 1613 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommenden Gedanken des Schuldnerschutzes Rechnung getragen werden.[370] Es kann daher nicht sein, dass jahrelang von dem anderen Elternteil kein Unterhalt gefordert und dann statt des Kindesunterhalts der familienrechtliche Ausgleichsanspruch geltend gemacht wird.

 

Rz. 301

Es braucht jedoch auch nicht speziell der familienrechtliche Ausgleichsanspruch angemahnt zu werden. Der Gläubiger kann für die Vergangenheit Erfüllung nur von der Zeit an fordern, zu welcher der Ausgleichsschuldner mit der Erfüllung des Ausgleichsanspruchs in Verzug gekommen oder dieser Anspruch selbst rechtshängig geworden ist.[371] Eine anhängige Kindesunterhaltsklage des gesetzlichen Vertreters ist ausreichend, um die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB auch für den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch zu erfüllen. Bereits ab diesem Zeitpunkt musste sich der andere Teil darauf einstellen, dass er aufgrund seiner Unterhaltspflicht von einem bestimmten Zeitpunkt an in bestimmter Höhe zu Zahlungen herangezogen wird.[372]

 

Rz. 302

 

Beispiele für das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs

Beispiel nach BGH, Urteil vom 26.4.1989[373]:

Nach der Scheidung der Ehegatten lebt der minderjährige Sohn beim Ehemann. Der Sohn, gesetzlich vertreten durch den Kindesvater, erwirkt einen Kindesunterhaltstitel gegen die Kindesmutter. Da diese keine Zahlungen erbrachte, musste der Kindesvater alleine für die Betreuung und den Barunterhalt des Kindes aufkommen. Später wechselte der Junge in den Haushalt der Mutter und wurde kurz darauf volljährig. Er verlangte von dem Vater den Unterhaltstitel heraus, weil er keine Vollstreckung mehr gegen seine Mutter wünschte. Der Kindesvater verlangt nunmehr Ausgleich für seine Aufwendungen für den Sohn in Höhe des titulierten Unterhalts.

Der BGH hat den Ausgleichsanspruch des Kindesvaters anerkannt, da durch das gegen die Mutter ergangene Unterhaltsurteil festgestellt war, dass und in welcher Höhe die Kindesmutter Unterhalt schuldete. Da tatsächlich der Kindesvater die Zahlungen geleistet und der Mutter durch die Unterhaltsklage deutlich gemacht hatte, dass er ggf. Ersatz seiner Aufwendungen verlangen werde, war der Ausgleichsanspruch auch begründet.

Beispiel nach OLG Koblenz, Urteil vom 12.7.2004[374]:

Dieser Fall ist hinsichtlich der Ausgangssituation ähnlich gelagert wie der zuvor beschriebene. Der Unterschied besteht darin, dass der Sohn bereits im Alter von 14 Jahren zur Mutter gewechselt hat und der Mutter daraufhin die elterliche Sorge übertragen worden ist. Hier hat der Vater mangels Befugnis, den Sohn zu vertreten, keine Möglichkeit mehr, den ausgeurteilten Unterhalt zu vollstrecken.

Hier kann der Vater seine Aufwendungen für den Barunterhalt des Sohnes aus der Zeit, in welcher er bei ihm gelebt hat, im Wege des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs von der Kindesmutter verlangen.

Entsprechendes gilt auch im Fall des Obhutwechsels eines Kindes getrenntlebender oder geschiedener Eltern, wenn keine Sorgerechtsregelung getroffen wurde.[375]

Beispiel nach OLG Koblenz, Urteil vom 3.7.1997[376]:

Wenn ein Kind während eines laufenden Unterhaltsprozesses volljährig wird, der Kindesunterhalt also noch nicht tituliert ist, und das Kind das Verfahren nicht weiter führen will, kommt ebenfalls ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch in Betracht.

Das Gleiche gilt für den Fall, dass das Kind während eines laufenden Verfahrens den Aufenthaltsort wechselt.[378]

Der zuvor betreuende Elternteil kann in diesem Fall im Rahmen einer sachdienlichen Klageänderung den Unterhaltsanspruch auf einen Ausgleichsanspruch umstellen.[379]

 

Rz. 303

 

Beispiele für das Nichtbestehen eines Ausgleichsanspruchs:

Beispiel nach OLG Köln, Beschluss vom 27.6.1985[380]:

Wurde der Barbedarf des Kindes, für den der unterhaltspflichtige Elternteil nicht aufgekommen ist, durch Leistungen eines Trägers von Sozialleistungen oder der Unterhaltsvorschusskasse gedeckt, so besteht kein Ausgleichsanspruch, da der betreuende Elternteil keine finanziellen Leistungen anstelle des Unterhaltspflichtigen erbracht hat.

Beispiel nach BGH, Urteil vom 25.5.1994[381]:

Der Kindesmutter wurde bei der Ehescheidung das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter übertragen. Der Kindesvater zahlte aufgrund eines Unterhaltstitels Unterhalt an die Tochter. Die Tochter wohnte eine Zeit lang bei der Mutter, wechselte dann für ein Jahr in den Haushalt des Vaters und zog dann zu der Mutter zurück. Der Vater verlangte Ersatz der Unterhaltsaufwendungen von der Kindesmutter für die Zeit, in der die Tochter bei ihm gelebt hat.

Der BGH hat in diesem Fall den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch des Vaters verneint, weil er aufgrund der über den Aufenthaltswechsel der Tochter zu ihm hinaus fortwirkenden Verurteilung zu Unterhaltszahlungen einer rechtskräftig festgestellten eigenen Unterhaltsverpflichtung nachgekommen war. Der Kindesvater hätte jedoch die Möglichkeit gehabt, im Rahmen einer Abänderungsklage von der Kindesmutter Barunterhalt zu verlang...

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