Leitsatz

Art. 56 EG steht Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats über die Einkommensteuer entgegen, wonach das Recht gebietsansässiger und unbeschränkt steuerpflichtiger natürlicher Personen, Verluste aus Vermietung und Verpachtung einer Immobilie im Verlustentstehungsjahr von der Besteuerungsgrundlage abzuziehen und bei der Ermittlung der Einkünfte aus einer Immobilie eine degressive Abschreibung anzusetzen, von der Voraussetzung abhängt, dass die Immobilie im Gebiet dieses Mitgliedstaats belegen ist.

 

Sachverhalt

Die Kläger sind spanische Staatsangehörige und seit ihrer Geburt in Deutschland ansässig. Von 1997 bis 2003 bezogen sie Einkünfte nach § 19 EStG und waren in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Seit 1996 sind die Kläger als Erbengemeinschaft Eigentümer eines Hauses in Spanien, das nie selbst genutzt, ab 2001 vermietet und in 2006 verkauft wurde. Sie beantragten hierfür die Abschreibung nach § 7 Abs. 5 EStG und die Nichtanwendung des eingeschränkten Verlustausgleichs nach § 2a Abs. 1 S. 1 Nr. 6 Buchst. a EStG a.F. Das Finanzamt folgte dem nicht, das FG rief den EuGH an.

 

Entscheidung

Der EuGH hat dem entsprochen und ist zu dem aus dem Leitsatz ersichtlichen Ergebnis gelangt.

 

Hinweis

§ 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a EStG i.d.F. bis 2008 ist gemeinschaftsrechtswidrig. Danach sind Verluste aus der Vermietung einer Auslandsimmobilie auch in der EU nur beschränkt abzugsfähig, Inlandsverluste aber nicht. Der damit einhergehende Liquiditätsnachteil ist nicht gerechtfertigt. Das sah die Finanzverwaltung zwischenzeitlich ebenso und akzeptierte den grenzüberschreitenden Verlustabzug, sofern keine Liebhaberei vorliegt.

Auch müssen Auslandsimmobilien nach § 7 Abs. 5 EStG abschreibbar sein. Das Erfordernis der Inlandsbelegenheit des Gebäudes ist aus europarechtlicher Sicht nicht hinnehmbar.

Die bestätigten Gemeinschaftsrechtsverstöße bedurften – naturgemäß – einer Grundfreiheit, die überhaupt verletzt werden konnte. Der EuGH "entdeckt" dafür die Kapitalverkehrsfreiheit. Diese "Entdeckung" verwundert ein wenig. Ihr liegt ein recht weites Verständnis der Kapitalverkehrsfreiheit zugrunde. Dessen bedurfte es aber wohl, um hier zu einem Freiheitsverstoß zu gelangen: Die Kläger hatten die Immobilie in Spanien geerbt. Der Vermietung lag also keine – ebenfalls der Kapitalverkehrsfreiheit unterfallende – "Immobilieninvestition" zugrunde.

Berücksichtigt man, dass die Kapitalverkehrsfreiheit auch Drittstaaten schützt, könnte dem Fiskus Ungemach drohen. Denn dann gerät womöglich auch § 2a Abs. 1 EStG n.F., der Drittstaaten ausspart, in das Fadenkreuz des Europarechts. Wahrscheinlich kann aber Entwarnung gegeben werden, weil § 2a EStG als "Altvorschrift" in den fiskalschützenden Bereich der sog. Stand-still-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EG fallen dürfte. Unabhängig davon ist nicht auszuschließen, dass der EuGH ohnehin einen Verstoß gegen die Unionsbürgerschaft des Art. 18 EG angenommen hätte.

Für die Zukunft ist das nicht mehr so bedeutsam, weil § 2a EStG zwischenzeitlich ohnehin "europäisiert" wurde. Bedeutsam bleibt die Entscheidung indes für die degressiven Abschreibung.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil v. 15.10.2009, C-35/08 – Busley/Cibrian.

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