Leitsatz

  1. Die Abweisung einer Beschlussanfechtungsklage darf nicht offenlassen, ob es sich bei dem angefochtenen Beschluss nur um die Vorbereitung der Geltendmachung einer Unterlassungsklage handelte oder bereits um einen beschlossenen Untersagungsanspruch einer bestimmten Nutzung eines Sondereigentums
  2. Mangels entgegenstehender Vereinbarung kann eine Eigentumswohnung auch an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste zu Wohnzwecken vermietet werden
 

Normenkette

§§ 1, 13 Abs. 1, 14, 15 WEG; Art. 13, 14 GG; § 1004 BGB

 

Kommentar

  1. In einer größeren Berliner Wohnungseigentümergemeinschaft mit 92 Wohnungen vermietete der Kläger seine beiden Eigentumswohnungen tage- oder wochenweise an Berlinbesucher, Geschäftsreisende und vergleichbare Mieter. Die Gemeinschaft beschloss 2008 mehrheitlich, dem Kläger und den Eigentümern von sieben weiteren, ähnlich genutzten Wohnungen "zu untersagen, die Wohnungen täglich oder wöchentlich wechselnden Feriengästen zu überlassen, und die Verwaltung zu bevollmächtigen, unter Einschaltung eines Rechtsanwalts bei einem Verstoß Unterlassungsansprüche geltend zu machen". Die Anfechtungsklage wurde in den ersten beiden Instanzen als unbegründet zurückgewiesen; die Revision hatte allerdings aus Klägersicht Erfolg.
  2. Das Berufungsgericht durfte nicht offenlassen, ob der angefochtene Beschluss als bloßer Vorbereitungs- oder als Untersagungsbeschluss auszulegen sei; es bliebe dann nicht nur ungeklärt, welchen Inhalt der Beschluss habe; offen bliebe auch, ob nur über die Wirksamkeit der Übertragung der Ausübung etwaiger Unterlassungsansprüche der anderen Wohnungseigentümer gegen den Kläger auf die Gemeinschaft als Verband entschieden worden sei oder auch schon über den Unterlassungsanspruch selbst. Würde ein Beschluss durch Abweisung der Beschlussanfechtungsklage bestandskräftig werden und ergäbe seine Auslegung, dass er dem Kläger die Vermietung seiner Wohnungen an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste untersagen sollte, stünde die Unterlassungspflicht nämlich im späteren Unterlassungsklageprozess fest (h.M.).
  3. Der Gemeinschaft als Verband nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG kann durch Mehrheitsbeschluss die Ausübung auch von Rechten der Wohnungseigentümer übertragen werden, die keinen Gemeinschaftsbezug haben und deren Ausübung dem Verband deshalb nicht schon kraft Gesetzes zusteht. Die Zulässigkeit eines Beschlusses, der sich in einer Übertragung der Ausübung etwaiger Ansprüche auf die Gemeinschaft erschöpft und die Geltendmachung der Ansprüche bloß vorbereitet, hängt auch nicht davon ab, ob der erst noch geltend zu machende Anspruch tatsächlich besteht; dies klärt erst das nachfolgende gerichtliche Verfahren.

    Vorliegend ging es nach Beschlussinhalt nicht nur um einen bloßen Vorbereitungsbeschluss, vielmehr um eine entsprechende Untersagung der Vermietung. Die Gemeinschaft sei hier nur als Annex zur Verfolgung von Verstößen ermächtigt worden; nur in dieser Weise ist der Beschlussinhalt vom Senat auszulegen.

    Die Auslegung erfolgt nach objektiven und normativen Grundsätzen (h.M.), ausgehend vom protokollierten Wortlaut des Beschlusses. Vorliegend war nicht lediglich von einer Ankündigung der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen auszugehen; vielmehr sollte die Gemeinschaft ermächtigt werden, "bei Verstoß" Unterlassungsansprüche gerichtlich geltend zu machen. Hier wurde also bereits ein Vermietungsverbot ausgesprochen, welches der Kläger sofort zu beachten habe. Es konnte also nicht nur von einer "Androhung gerichtlicher Maßnahmen" gesprochen werden. Bei dem hier beschlossenen eingeschränkten Vermietungsverbot ging die Mehrheit der Eigentümer erkennbar davon aus, dass ihnen ein entsprechender Unterlassungsanspruch zustand; diesen sollte die Gemeinschaft an sich ziehen und erforderlichenfalls auch gerichtlich durchsetzen.

  4. Ein solcher Anspruch steht den Eigentümern aber weder nach § 15 WEG noch nach § 1004 BGB zu; mangels bestehender Beschlusskompetenz der Gemeinschaft ist ein solcher Beschluss nichtig.

    Wohnungseigentum dient im Gegensatz zu Teileigentum Wohnzwecken. Eine Wohnnutzung umfasst auch die Vermietung an Feriengäste (ebenso BayObLG; OLG Frankfurt a.M.; OLG Celle; Jennißen/Löffler und Böhm). Von einer gewerblichen Nutzung nach anderer Auffassung (KG Berlin; OLG Saarbrücken; AG Lübeck) ist auch in diesen Fällen nicht auszugehen, ebenso nicht von einschränkender Bejahung solcher Wohnnutzungen allein in Feriengebieten (LG Karlsruhe; Wenzel in Bärmann; Staudinger/Kreuzer).

    Nach BGH stellt mangels einer anderen Vereinbarung auch die Vermietung einer Eigentumswohnung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste eine zulässige Wohnnutzung dar, nicht eine unzulässige gewerbliche oder sonstige Nutzung, die nur in Teileigentumseinheiten zulässig wäre.

    Wohnzwecke beschränken sich nicht nur auf Wohnungen als Lebensmittelpunkt. Vielmehr ist der Begriff Wohnung bereits nach Art. 13 Abs. 1 GG (in Verbindung mit § 1 Abs. 2 WEG) weit auszulegen. Eigentum genießt hier vollen Eigentumsschutz (vgl. BG...

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