Das System der Haftung für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten ist etwas kompliziert, da in aller Regel mehrere Personen beteiligt sind.

 
Praxis-Beispiel

Ausgangsfall: Besucher stürzt

Aufgrund entsprechender Beschlussfassung hat der Verwalter mit einem Hausmeister namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Hausmeistervertrag geschlossen. Dem Hausmeister obliegt u. a. die Räum- und Streupflicht. Aufgrund extremen Nachtfrosts mit Niederschlag kam es zu erheblicher Glättebildung im Eingangsbereich der Wohnanlage. Um 10.30 Uhr rutschte ein Besucher eines Wohnungseigentümers auf dieser Eisfläche aus und brach sich die Hand. Der Hausmeister, der in der Vergangenheit stets vorbildlich seine Pflichten erfüllt hatte, was der Verwalter auch stichprobenartig überprüft hatte, hatte noch nicht gestreut.

Wer haftet?

  • Haftung des Hausmeisters

    Zweifellos haftet der Hausmeister. Er hat die ihm vertraglich übertragene Verkehrssicherungspflicht verletzt. Er haftet hier unmittelbar aus § 823 Abs. 1 BGB. Ungeachtet etwaiger bestehender Verschuldensvorwürfe gegen Verwalter oder Gemeinschaft kann der geschädigte Besucher den Hausmeister auf Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld in Anspruch nehmen.

  • Haftung des Verwalters

    Da der Verwalter den Hausmeister sorgfältig ausgewählt, eingewiesen und seine Tätigkeit stichprobenartig überwacht hat, kommt eine Haftung des Verwalters nicht in Betracht. Selbst wenn man annehmen wollte, ihn treffe originär selbst die Verkehrssicherungspflicht, wurde diese aber auf den Hausmeister übertragen. Wie eingangs dieses Beitrags bereits ausgeführt, besteht jedoch keine originäre Pflicht des Verwalters zur Verkehrssicherung.

    Da das Vertragsverhältnis des Hausmeisters mit der Eigentümergemeinschaft besteht, kommt auch eine Haftung des Verwalters nach § 278 BGB nicht in Betracht. Der Hausmeister wird nämlich nicht als Erfüllungsgehilfe des Verwalters, sondern der Gemeinschaft tätig. Die Problematik des § 278 BGB stellt sich hier aber ohnehin nicht, da mit dem geschädigten Besucher keine vertraglichen Beziehungen bestehen und eine Haftung demnach nur aus § 831 BGB in Frage käme.

  • Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft

    Eine Haftung der Gemeinschaft scheidet aus. Zwar würde sie bei einem Verwalterverschulden entsprechend § 31 BGB grundsätzlich eine Haftung treffen. Da aber bereits dem Verwalter kein Vorwurf gemacht werden kann, kommt auch eine Haftung der Gemeinschaft nicht in Betracht.

  • Haftung der Wohnungseigentümer

    Eine Haftung der Wohnungseigentümer selbst scheidet aus, da die Verkehrssicherungspflicht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegt.

 
Praxis-Beispiel

Abwandlung: Eigentümer stürzt

Statt seines Besuchers kommt der Wohnungseigentümer selbst zu Fall.

Wer haftet?

  • Haftung des Hausmeisters

    Wiederum haftet der Hausmeister wegen Verletzung der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflichten unmittelbar nach der Bestimmung des § 823 Abs. 1 BGB. Ob den Hausmeister daneben eine Haftung auch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB trifft, hängt maßgeblich davon ab, ob man den zwischen ihm und der Eigentümergemeinschaft geschlossenen Hausmeistervertrag als einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, nämlich der Wohnungseigentümer, ansieht. Vor Inkrafttreten des WEMoG wurde dies angenommen.[1] Zumindest nach diesseitiger Auffassung kann dies auf Grundlage der reformierten Gesetzeslage nicht mehr gelten.

  • Haftung des Verwalters

    Eine originäre Haftung des Verwalters scheidet ohnehin aus. Allerdings wäre mit Blick auf einen möglichen Regress der Gemeinschaft gegen ihn zu prüfen, ob ihm eine Pflichtverletzung zum Vorwurf zu machen ist. Da der Verwalter den Hausmeister sorgfältig ausgewählt, eingewiesen und in der Vergangenheit stichprobenartig überwacht hatte, trifft ihn auch in dieser Konstellation keine Verantwortung.

  • Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft

    Neben dem Hausmeister haftet nunmehr auch die Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Hausmeister wurde nämlich in Erfüllung der der Gemeinschaft ihren Mitgliedern obliegenden Schutzpflicht beauftragt. Insoweit kommt also eine Haftung der Gemeinschaft nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 i. V. m. 278 BGB in Betracht.

    Hier könnte sich die zusätzliche Frage stellen, ob der Wohnungseigentümer sich einen eigenen "Haftungsanteil" entgegenhalten lassen muss. Dies ist jedoch zu verneinen, da die Haftung (auch) die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer trifft. Der "Haftungsanteil" des geschädigten Wohnungseigentümers wird bei der Kostenverteilung in der Jahresabrechnung berücksichtigt.

  • Haftung der Wohnungseigentümer

    Trifft die Gemeinschaft eine Haftung, so können neben ihr auch die einzelnen Wohnungseigentümer auf Grundlage der Bestimmung des § 9a Abs. 4 WEG in Anspruch genommen werden. § 9a Abs. 4 Satz 1 WEG begründet nämlich eine Teilhaftung der Wohnungseigentümer für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft sowie eine zeitlich begrenzte Nachhaftung der Wohnungseigentümer entsprechend § 160 HGB. Aufgrund Vernachlässigung der Verkehrssicherungspflicht Geschädigte könnten als...

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