1 Leitsatz

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann Unterlassungsansprüche, die einem Wohnungseigentümer zur Abwehr von Störungen im räumlichen Bereich seines Sondereigentums zustehen, auch dann nicht vergemeinschaften, wenn zugleich das gemeinschaftliche Eigentum von den Störungen betroffen ist.

2 Normenkette

§ 10 Abs. 6 Satz 3 WEG

3 SachverhaltDas Problem

Der Mieter B einer im Sondereigentum stehenden Wohnung vermietet diese an Medizintouristen, beispielsweise aus den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Saudi-Arabien. Die Wohnungseigentümer fühlen sich durch ätherische Öle, durch Weihrauch und durch laute Geräusche gestört, die von den Medizintouristen ausgehen. Sie vergemeinschaften ihre Unterlassungsansprüche gegen den vermietenden Wohnungseigentümer. Ungeachtet dessen geht Wohnungseigentümerin K gegen den Mieter B auf Unterlassung der gegenwärtigen Nutzung und auf Unterlassung von Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen vor. Fraglich ist, ob diese nach der Vergemeinschaftung noch prozessführungsbefugt ist.

4 Die Entscheidung

Der BGH unterscheidet! K sei nicht prozessführungsbefugt, soweit sie von B verlange, die Nutzung der Wohnung als Pensionsbetrieb zu unterlassen. Die Wohnungseigentümer hätten die insoweit bestehenden Unterlassungsansprüche vergemeinschaftet. Anders sei es wegen der Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen. K wende sich gegen unmittelbare Beeinträchtigungen ihres Sondereigentums in Gestalt von Lärm und Gerüchen, die in ihre Wohnung eindringen würden. Solche, den räumlichen Bereich des Sondereigentums betreffenden Unterlassungsansprüche könne man nicht vergemeinschaften. Dies gelte auch dann, wenn zugleich das gemeinschaftliche Eigentum von den Störungen betroffen sei. Es gehöre zu den unentziehbaren Rechten des Sondereigentümers, solche unmittelbaren Beeinträchtigungen abzuwehren; das gilt unabhängig davon, ob und inwieweit sich die Störungsquelle auf andere Bereiche des Hauses auswirke.

Hinweis

Unterlassungsansprüche der Wohnungseigentümer aus dem Miteigentum an dem Grundstück kann jeder Wohnungseigentümer selbst verfolgen, auch dann, wenn der Anspruchsgegner ein außerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft stehender Dritter ist (BGH, Urteil v. 13.10.2017, V ZR 45/17, Rz. 8). Die Wohnungseigentümer können die aus § 1004 BGB folgenden Beseitigungs- und/oder Unterlassungsansprüche wegen Störungen des gemeinschaftlichen Eigentums allerdings gem. § 10 Abs. 6 Satz 3 Fall 2 WEG vergemeinschaften. Die Voraussetzung, dass die Rechtsausübung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dem Gemeinschaftsinteresse förderlich ist (BGH, Urteil v. 8.2.2019, V ZR 153/18, Rz. 14), besteht unabhängig davon, ob die zweckwidrige Nutzung zu nachteiligen Auswirkungen auf das gemeinschaftliche Eigentum führt oder ob sie sich auf die mittelbare Beeinträchtigung des Sondereigentums der übrigen Wohnungseigentümer beschränkt (BGH, Urteil v. 25.10.2019, V ZR 271/18, Rz. 18). Der Beschluss darf sich nicht auf Ansprüche der Wohnungseigentümer wegen Persönlichkeits- und Körperverletzungen sowie Ansprüche wegen Beeinträchtigungen des räumlichen Bereichs des Sondereigentums beziehen. Insoweit besteht keine Beschlusskompetenz. Das gilt auch dann, wenn die Störungen, beispielsweise Lärm- und Geruchsimmissionen, zugleich im Bereich des Gemeinschaftseigentums auftreten. Es gehört zu den unentziehbaren Rechten des Sondereigentümers, solche unmittelbaren Beeinträchtigungen abzuwehren; das gilt unabhängig davon, ob und inwieweit sich die Störungsquelle auf andere Bereiche des Hauses auswirkt.

Wiederholung und Vertiefung: Benutzungsrechte des Mieters

Ein Wohnungseigentümer kann seinem Mieter nicht mehr an Rechten übertragen, als er selbst im Verhältnis zu den anderen Wohnungseigentümern hat. Daher ist auch ein Mieter an eine bestehende Haus- und Gemeinschaftsordnung gebunden. Fehlt es an einer solchen oder ist sie nicht einschlägig, kann man vom Mieter die Unterlassung wesentlicher Beeinträchtigungen nach allgemeinen Grundsätzen verlangen. Wann eine nach § 1004 Abs. 1 BGB abwehrfähige Beeinträchtigung vorliegt, beurteilt sich bei Immissionen entsprechend § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist. Das gilt auch dann, wenn die Wohnung und/oder die Räume von dem Mieter gemäß ihrer Zweckbestimmung genutzt werden.

Ausblick WEG-Reform

Das WEMoG wird die Rechtslage stark ändern. Das WEMoG ersetzt § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG durch § 9a Abs. 2 WEG. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übt danach die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, und nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr. Eine Vergemeinschaftung ist nicht mehr vorgesehen. Stört ein Wohnungseigentümer oder ein Drittnutzer gilt danach Folgendes:

  • Störungen des gemeinschaftlichen Eigentums. Der sachenrechtliche Anspruch auf Unterlassung und/oder Beseitigung gegen Wohnungseigentümer und ...

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