Leitsatz

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann kaufvertragliche Nacherfüllungsansprüche der Erwerber gegen den Bauträger gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 BGB "an sich ziehen" und deren gemeinschaftliche gerichtliche Durchsetzung beschließen, wenn diese Ansprüche jeweils in vollem Umfang auf Beseitigung der Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum und damit auf das gleiche Ziel gerichtet sind.

 

Normenkette

§§ 433, 437 Nr. 1, 439 BGB; § 21 Abs. 1, 5, § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG

 

Das Problem

Bauträger B errichtet 2003 eine Wohnungseigentumsanlage. Ab April 2004 beginnt B, Wohnungseigentumsrechte zu veräußern. Im Februar 2011 fordert die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K den B zur Beseitigung näher bezeichneter Mängel auf. Ferner begehrt die K Aufwendungsersatz für den Anschluss von Entwässerungsrohren. Insoweit habe sie im Oktober 2010 im Wege einer Notmaßnahme gehandelt. Im Mai 2011 ermächtigen die Wohnungseigentümer die K, Rechte wegen der nicht beseitigten Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum gerichtlich geltend zu machen. Die Klage hat wegen eines angenommenen Ablaufs der Verjährung bei Land- und Oberlandesgericht keinen Erfolg. Neben dem Punkt Verjährung ist umstritten, ob die Gemeinschaft prozessführungsbefugt ist.

 

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof bejaht die Prozessführungsbefugnis für beide Ansprüche. Eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung die Ausübung der den einzelnen Erwerbern aus den jeweiligen Verträgen mit dem Veräußerer zustehenden Rechte auf ordnungsmäßige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen. Die sich aus § 21 Abs. 1, 5 Nr. 2, § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG ergebende Befugnis bestehe selbst dann, wenn nur ein Erwerber noch ein durchsetzbares Recht auf ordnungsmäßige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums haben sollte. Diese Rechtsprechung gelte auch für kaufvertragliche Nacherfüllungsansprüche der Erwerber gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 BGB in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum, wenn diese Ansprüche jeweils in vollem Umfang auf Beseitigung der Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum und damit auf das gleiche Ziel gerichtet seien. So liege es im Fall. Nach den Erwerbsverträgen seien die kaufvertraglichen Nacherfüllungsansprüche – wie der werkvertragliche Erfüllungs- oder Nacherfüllungsanspruch – in vollem Umfang auf Beseitigung der Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum gerichtet. Nach den Erwerbsverträgen hätten die Erwerber einen Anspruch auf "Beseitigung eines Sachmangels" am Kaufobjekt im Wege der Nacherfüllung. Kaufobjekt sei nicht nur das Sondereigentum, sondern auch der Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Eigentum. K sei auch wegen des unverjährten Anspruchs auf Aufwendungsersatz prozessführungsbefugt. Dies ergebe sich bereits daraus, dass sie einen eigenen Anspruch geltend mache.

 

Kommentar

Anmerkung

Dass die Wohnungseigentümer ihre nicht gemeinschaftsbezogenen Mängelrechte aus ihren Erwerbsverträgen (Bauträgerverträge) vergemeinschaften und der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zuweisen können, ist seit Langem für die Praxis entschieden. Neu ist hingegen, dass eine Vergemeinschaftung grundsätzlich auch dann möglich sein soll, wenn es um bloße Kaufverträge geht – also wenn es um "gebrauchtes" Wohnungseigentum geht. Der VII. Zivilsenat bejaht diese Möglichkeit, wenn der Käufer eines "gebrauchten" Wohnungseigentums einen "gleichgerichteten" Anspruch auf Beseitigung der Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum hat. Das überzeugt. Ich selbst meine freilich, diesen Anspruch hat ein Käufer – ist nichts anderes vereinbart – immer: Kaufgegenstand kann nämlich nie ein Sondereigentum sein. Kaufgegenstand ist immer ein Wohnungseigentumsrecht (= keine Eigentumswohnung!). Der Veräußerer haftet daher grundsätzlich auch für Mängel des gemeinschaftlichen Eigentums.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Im Fall war auch fraglich, nach welchen Regelungen sich die Sachmängelhaftung richtet, wenn das Wohnungseigentumsrecht 3 Jahre nach seiner Errichtung veräußert wird und zuvor vermietet war. Der Bundesgerichtshof entschied insoweit, dass sich die Sachmängelhaftung nach Kaufvertragsrecht richtet. Werde ein Wohnungseigentumsrecht erst 3 Jahre nach Errichtung veräußert und sei das Sondereigentum zuvor vermietet gewesen, sei das Sondereigentum nach der Verkehrsanschauung nicht mehr als neu errichtetes Objekt zu qualifizieren.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 25.2.2016, VII ZR 156/13

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