Leitsatz

Verfahrensverzögerung durch den anwaltlichen Bevollmächtigten eines beschlussanfechtenden Antragstellers als Verstoß gegen das unter Eigentümern bestehende Treueverhältnis

 

Normenkette

§ 23 Abs. 4 Satz 2 WEG a. F.; § 167 ZPO

 

Kommentar

  1. Liegt zwischen der Einreichung eines Beschlussanfechtungsantrags bei Gericht und dessen Zustellung ein längerer Zeitraum (vorliegend: mehr als 2 Jahre!) und hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers nicht nur nicht auf eine Beschleunigung des Verfahrens hingewirkt, sondern das Verfahren verzögert (fristwahrende Anfechtung; Antragsbegründung erst am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem AG), so durfte der Antragsteller mit Blick hierauf und das zwischen den Wohnungseigentümern bestehende Treueverhältnis nicht über einen derart langen Zeitpunkt untätig bleiben, sondern hätte zur Wahrung der Anfechtungsfrist bei Gericht nachfragen und so auf eine Beschleunigung der Zustellung hinwirken müssen.

    Vorliegend war davon auszugehen, dass die Anfechtungsfrist unter Berücksichtigung des § 167 ZPO analog nicht gewahrt war. Von Fristwahrung und nachfolgender Rechtshängigkeit ist auszugehen, wenn eine Zustellung einer Antragsschrift zwar nicht innerhalb der Frist, jedoch "demnächst" erfolgt. Dass die Zustellung im vorliegenden Fall mehr als 2 Jahre später erfolgte, beruhte auf dem Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers, der ohne Nachricht des Gerichts und 2 Jahre lang untätig blieb. Von leichter Fahrlässigkeit ist hier auszugehen, selbst wenn das AG zu Unrecht nach ergebnislos gebliebener Aufforderung zur Zahlung eines Kostenvorschusses die Akte weggelegt habe. Selbst dieser Fehler ändere nichts an der grds. bestehenden Nachfrageobliegenheit des Anwalts.

  2. Um von einer Zustellung "demnächst" einer Antragsschrift im Sinne des § 167 ZPO ausgehen zu können, muss eine Partei bzw. ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtumstände alles Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan haben. Weiterhin muss er auch im Sinne einer größtmöglichen Beschleunigung auf eine Zustellung hinwirken. Ein Ausbleiben der Nachricht von einer Klagezustellung, für das es aus seiner Sicht keinen erkennbaren Grund gibt, darf er nicht unbegrenzt hinnehmen. Selbst im Fall einer überflüssigen oder gar fehlerhaften Auflage des Gerichts muss sich ein Prozessbevollmächtigter alsbald um den Fortgang der Sache kümmern (BGH, NJW-RR 1992, 470).
  3. Dies gilt auch dann, wenn im Zuge eines wohnungseigentumsgerichtlichen Anfechtungsverfahrens kein Gerichtskostenvorschuss zu zahlen ist (h.M.) und ein Antragsteller alle für eine ordnungsgemäße Zustellung des Antrags von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht hat. Auf das Wohnungseigentumsrecht lässt sich allerdings die zum Zivilprozess ergangene Entscheidung des BGH (NJW 2006, 3206) nicht uneingeschränkt übertragen. Die Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG a. F. ist eine materiell-rechtlicheAusschlussfrist, die für die Funktionsfähigkeit einer Wohnungseigentümergemeinschaft von erheblicher Bedeutung ist und aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit sowie der Rechtsschutzgewährung weder durch Vereinbarung, noch durch Beschluss verlängert werden kann. Weiterhin ging es vorliegend um nicht nur wenige Wochen verspäteter Zustellung, sondern mehr als 2 Jahre (!), also eine augenscheinliche Verfahrensverzögerung. Auch bestehen im Wohnungseigentumsrecht treuhänderische Pflichten unter Eigentümern zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Damit hätte der Antragstellervertreter nicht so lange Zeit untätig bleiben dürfen, zumal es dem Zweck der Anfechtungsfrist widerspräche, den übrigen Eigentümern möglichst baldige Klarheit über den Bestand eines Beschlusses zu verschaffen.
  4. Aus Verschuldensgründen war auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Anfechtungsfrist nicht zu gewähren.
 

Link zur Entscheidung

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2008, I-3 Wx 119/07

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