Leitsatz

Der Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Änderung einer Vereinbarung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG setzt nicht voraus, dass sich tatsächliche oder rechtliche Umstände nachträglich verändert haben. Der Anspruch kommt vielmehr auch dann in Betracht, wenn Regelungen der Gemeinschaftsordnung von Anfang an verfehlt oder sonst unbillig waren ("Geburtsfehler").

 

Normenkette

WEG § 10 Abs. 2 Satz 3

 

Das Problem

  1. In § 17 eines Teilungsvertrags ist festgelegt, dass dem jeweiligen Eigentümer des Teileigentumsrechts G30 – einer Garage – die unentgeltliche, ausschließliche Nutzung der Abstellräume I, II und III sowie der Wasch- und Trockenräume A und B zusteht. Diese Räumlichkeiten werden nicht für die vereinbarten Zwecke gebraucht. Tatsächlich finden sich dort 18 vermietete Wohnungen. Eigentümer des Teileigentums G30 ist K.
  2. Im Jahr 2004 genehmigen die Wohnungseigentümer mit notariellen Urkunden die Unterteilung des Miteigentumsanteils des Teileigentumsrechts G30 in 18 Teile mit der jeweiligen Begründung von Sondereigentum an Wohnungen. Zu einem grundbuchrechtlichen Vollzug kommt es allerdings nicht, weil K an den Räumen kein Sondereigentum, sondern jeweils nur ein Sondernutzungsrecht zusteht.
  3. Im Jahr 2015 wird rechtskräftig auf die Klage einer Wohnungseigentümerin festgestellt, dass die Räume ausschließlich in der durch den Teilungsvertrag beschriebenen Form gebraucht werden dürfen. Ebenfalls im Jahr 2015 wird K auf die Klage zweier anderer Wohnungseigentümer rechtskräftig verurteilt, es zu unterlassen, die Räume zu Wohnzwecken gebrauchen zu lassen und zu nutzen.
  4. K klagt vor diesem Hintergrund gegen die anderen Wohnungseigentümer auf Zustimmung zur "Berichtigung" des Teilungsvertrags dahingehend, dass "dem jeweiligen Eigentümer des Teileigentums G30 (…) die unentgeltliche, ausschließliche Nutzung der Räume I, II und III sowie der Räume A und B" zusteht.
  5. Das Amtsgericht (AG) weist die Klage als unzulässig, das Landgericht (LG) diese als unbegründet ab. Denn der Anspruch auf Änderung eines Teilungsvertrags könne nicht auf die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG gestützt werden. K begehre nämlich eine Änderung der sachenrechtlichen Grundlagen, welche § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG aber nicht erfasse. Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 242 BGB und § 313 BGB. Zwar könne auf dieser Grundlage eine Änderung hinsichtlich der sachenrechtlichen Grundlagen verlangt werden, wenn wegen außergewöhnlicher Umstände ein Festhalten an der geltenden Regelung grob unbillig wäre und dies gegen Treu und Glauben verstieße. Derartige Umstände seien aber weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Soweit K hingegen auf die notariellen Genehmigungserklärungen der übrigen Wohnungseigentümer aus dem Jahr 2004 verweise, enthielten diese keine Zustimmung zu der jetzt von K erstrebten Änderung.
  6. Mit der Revision verfolgt K seinen Klageantrag weiter. Mit einem Zwischenerfolg!
 

Die Entscheidung

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) könne ein Anspruch des K auf Änderung des Teilungsvertrags gegen die übrigen Wohnungseigentümer aus § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG mit der vom LG gegebenen Begründung nicht verneint werden.

 

Kommentar

Die Räume dürfen zurzeit nicht bewohnt werden

Rechtsfehlerfrei lege das LG seinen Erwägungen allerdings zugrunde, dass § 17 des Teilungsvertrags im Wege der Auslegung die Berechtigung zu einem Wohngebrauch der dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Räume nicht entnommen werden könne.

  1. Der Gebrauch des Sondereigentums werde über die mit der Einordnung als Wohnungs- oder Teileigentum verbundene Zweckbestimmung hinaus auf bestimmte Zwecke beschränkt, wenn diese Beschränkung aus der Gemeinschaftsordnung klar und eindeutig hervorgehe. Bei nächstliegender Auslegung könne allerdings schon eine schlichte Bezeichnung in dem Teilungsvertrag als Zweckbestimmung zu verstehen sein.
  2. Im Fall liege eine Zweckbestimmung vor. Es sei "nächstliegend", die in § 17 des Teilungsvertrags gewählte Bezeichnung "Abstell-, Wasch- und Trockenräume" als eine solche anzusehen. Dass das Teileigentum an einer Garage mit dem höchsten Miteigentumsanteil an dem Grundstück ausgewiesen sei, stelle sich zwar, gerade wenn dem Sondernutzungsrecht diese Zweckbestimmung zugrunde gelegt werde, als ungewöhnlich dar. Dieser Umstand sei aber für sich gesehen noch nicht geeignet, die Annahme einer Zweckbestimmung infrage zu stellen. Dass die 18 Wohnungen in den Räumlichkeiten bereits vor dem Abschluss des Teilungsvertrags entstanden sein sollen, wie es K vortrage, sei nicht für jedermann erkennbar und daher bei der Auslegung des Teilungsvertrags nicht berücksichtigungsfähig. Auch der Hinweis des K, die Räume seien in Übereinstimmung mit der Bezeichnung in den Plänen so benannt worden, um Missverständnisse auszuschließen, führe zu keiner anderen Beurteilung. Für die genaue Zuordnung der Räume werde in § 17 des Teilungsvertrags auf eine Anlage 1 (Spalte 5) und hinsichtlich der Lage der Räume auf die Aufteilungspläne (Grundrisse Dachgeschoss und Spitzböden) verwiesen. Dies sprech...

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