Leitsatz

  1. Förmlicher Protokollierungsverstoß gegen getroffene Vereinbarung führt nur zur Anfechtbarkeit des Beschlusses
  2. Stillschweigende Abänderung einer Vereinbarung (hier: zur Protokollunterzeichnung) in ständiger Praxis setzt das Bewusstsein der Eigentümer voraus, dass von getroffener Vereinbarung abgewichen wird und eine Neuregelung für die Zukunft geschaffen werden soll
  3. Ein Mehrheitsbeschluss des Inhalts, dass Hunde- und Katzenhaltung mit Ausnahme der bereits in der Wohnanlage vorhandenen Tiere generell verboten wird, ist jedenfalls nicht nichtig
 

Normenkette

§§ 10, 15,23 WEG

 

Kommentar

  1. In der Gemeinschaftsordnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft war u.a. vereinbart:

    "In Ergänzung des § 23 WEG wird bestimmt, dass zur Gültigkeit eines Beschlusses der Eigentümerversammlung außer den dort genannten Bestimmungen die Protokollierung des Beschlusses erforderlich ist. Das Protokoll ist vom Verwalter und von zwei von der Eigentümerversammlung bestimmten Eigentümern zu unterzeichnen."

    Weiterhin wurde unter einem TOP "Hausordnung"beschlossen:

    "Das Halten von Hunden und Katzen ist nicht gestattet. Sind für das Halten von Hunden und Katzen alte Rechte vorhanden, so gelten sie nur solange, wie das sich in der Gemeinschaft befindliche Tier noch lebt. Neuanschaffungen von Hunden und Katzen sind nicht gestattet."

  2. Seit Jahren wurden Protokolle stets durch Verwaltungsbeiräte unterzeichnet, was auch vom Antragsteller bis zum vorliegenden Verfahren nie beanstandet wurde. Mit Beschluss vom 3.7.1997 hat der BGH (V ZB 2/97, ZMR 1997 S. 531 = NJW 1997 S. 2956) im Fall einer vergleichbaren Vereinbarungsregelung entschieden, dass eine solche Vereinbarung rechtswirksam ist, also weder gegen zwingendes Recht noch gegen Treu und Glauben verstößt. Insoweit handelt es sich um eine Gültigkeitsvoraussetzung des Beschlusses. Allerdings führt es nur zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen, wenn dagegen verstoßen wird. Dies gilt sowohl hinsichtlich der vorgeschriebenen Protokollierung als auch der vereinbarten Unterschriftsleistungen. Das Fehlen vereinbarter Beschlusswirksamkeitsvoraussetzungen wird auch in weiterer Rechtsprechung und Literatur lediglich als Beschlussfehler eingestuft, der eine erfolgreiche Anfechtung begründet (vgl. OLG Schleswig, ZMR 2006 S. 721; OLG Köln, ZMR 2006 S. 711; OLG Düsseldorf, ZMR 2005 S. 218; vgl. auch Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 23 Rn. 57; Palandt/Bassenge 70. Aufl., § 24 Rn. 21). Entgegenstehende Beschlüsse waren damit auch vorliegend insgesamt für ungültig zu erklären, ohne dass es auf andere Formrügen mehr ankam.

    Auch eine andere bisherige Praxis zu Protokollunterzeichnungen führte nicht zu einer neuen schuldrechtlichen Vereinbarung. Dafür wäre es erforderlich gewesen, dass es den Eigentümern bei solchen Vereinbarungsverstößen bewusst war, von der Teilungserklärung abzuweichen und dass sie eine Regelung schaffen wollten, die nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für die Zukunft gelten und nicht mehr durch Mehrheitsbeschluss änderbar sein sollte (vgl. auch BayObLG, ZMR 2005 S. 379). Im bloßen Dulden von Verstößen gegen Vereinbarungen in der Teilungserklärung ist keine neue Vereinbarung zu sehen (vgl. auch Riecke/Schmid/Elzer, Fachanwaltskommentar 3. Aufl., § 10 Rn. 158). Eine solche Praxis kann – davon abgesehen – auch mangels Eintragung im Grundbuch keinerlei Bindungswirkungen für etwaige Sonderrechtsnachfolger erzeugen. Somit wurde ein entsprechender Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit nach Ablauf der Anfechtungsfrist zurückgewiesen.

  3. Eigentümer besitzen zur Aufstellung einer Hausordnung Beschlusskompetenz nach §§ 15 und 21 Abs. 3 und 5 Ziffer 1 WEG (vgl. Grundsatzentscheidung des BGH v. 20.9.2000, NJW 2000 S. 3500). Bei solchen "Zitterbeschlüssen" im Sinne vereinbarungsersetzender Beschlüsse besteht ebenfalls nur Anfechtungsberechtigung, wenn der Regelungsgegenstand den Abschluss einer Vereinbarung oder Einstimmigkeit erfordert hätte. Insoweit gilt zum Verbot der Hundehaltung nach wie vor auch die Entscheidung des BGH vom 4.5.1995 (ZMR 1995 S. 416; vgl. auch OLG Hamm, ZMR 2005 S. 897 und OLG Düsseldorf, ZMR 2005 S. 303). Ein Beschluss über das generelle Verbot der Hundehaltung, der nicht angefochten wurde, bindet alle Eigentümer, da er weder sittenwidrig ist noch in den dinglichen Kernbereich des Wohnungseigentums eingreift. Ob ein generelles Haustierhaltungsverbot einem Mehrheitsbeschluss zugänglich wäre (verneint durch das OLG Saarbrücken mit Beschluss v. 2.10.2006, ZMR 2007 S. 308), konnte offenbleiben, da im vorliegenden Fall nur ein Hunde- und Katzenhaltungsverbot für die Zukunft beschlossen wurde, nicht ein generelles Haustierhaltungsverbot. Auch kann insoweit nicht von einem schwebend unwirksamen Beschluss ohne erfolgte Anfechtung im Sinne von Wenzel gesprochen werden, da solche schwebend unwirksamen Beschlüsse der Systematik des Wohnungseigentumsrecht fremd sind und es nur mit Ausnahme von Nichtbeschlüssen anfechtbare oder nichtige Beschlüsse gibt (Wenzel in Bärmann, 10. Aufl., ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge