Leitsatz

Klärt ein Notar einen Wohnungseigentümer im Falle einer verwalterlosen Wohnungseigentumsanlage nicht über das Erfordernis der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer zu einer beabsichtigten Eigentumsübertragung auf und holt der Notar im Rahmen des Vollzuges einer Eigentumsübertragung die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer nicht ein, obwohl die Gemeinschaftsordnung das Zustimmungserfordernis durch diese oder den Verwalter vorsieht, verletzt er seine Amtspflichten.

 

Normenkette

WEG § 12 Abs. 1; BnotO § 19 Abs. 1 Satz 1

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer K hat 3 Wohnungseigentumsrechte, da das gesetzliche Kopfstimmrecht gilt, aber nur 1 Stimme. Auf Rat von Notar B veräußert K daher in Bezug auf ein Wohnungseigentumsrecht einen halben Miteigentumsanteil an seinen Bruder und in Bezug auf ein anderes Wohnungseigentumsrecht einen halben Miteigentumsanteil an seine Lebensgefährtin. Dann beruft K – jetzt über Bruder und Lebensgefährtin gleichsam mit 3 Stimmen ausgestattet – eine Versammlung ein.
  2. Gegen die dort gefassten Beschlüsse geht ein anderer Wohnungseigentümer mit Erfolg vor. Im Anfechtungsverfahren kommt heraus, dass die Veräußerungen an den Bruder und die Lebensgefährtin – trotz Eintragung der Geschäfte – unwirksam waren. In der Wohnungseigentumsanlage X ist nämlich eine Veräußerungsbeschränkung vereinbart. Der Veräußerung hat aber weder ein Verwalter – den gibt es nicht – noch haben die anderen Wohnungseigentümer zugestimmt. K entstehen dadurch Kosten in Höhe von 5.286,41 EUR. Diese verlangt er nach § 19 BnotO als Schadensersatz von Notar B. Mit Erfolg!
 

§ 19 BnotO.

Verletzt der Notar vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem anderen gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er diesem den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Notar nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag; das gilt jedoch nicht bei Amtsgeschäften der in §§ 23, 24 bezeichneten Art im Verhältnis zwischen dem Notar und dem Auftraggeber. Im Übrigen sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Schadensersatzpflicht im Fall einer von einem Beamten begangenen Amtspflichtverletzung entsprechend anwendbar. Eine Haftung des Staates an Stelle des Notars besteht nicht.

 

Die Entscheidung

K habe gegen B einen Schadensersatzanspruch aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BnotO. Denn B habe eine ihm gegenüber K obliegende Amtspflicht verletzt. Die Pflichtverletzung des B liege darin, dass er K nicht über das in der Wohnungseigentumsanlage geltende Erfordernis der Zustimmung der Wohnungseigentümer zur Eigentumsübertragung belehrt und die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer nicht eingeholt habe.

 

Kommentar

  1. Die Pflicht zur Belehrung des K über das Zustimmungserfordernis ergebe sich aus § 17 Abs. 1 und 2 BeurkG. Danach solle der Notar den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären und die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren. Bestünden Zweifel, ob das Geschäft dem Gesetz oder dem wahren Willen der Beteiligten entspreche, müssten die Bedenken mit den Beteiligten erörtert werden. Zweifle der Notar an der Wirksamkeit des Geschäfts und bestünden die Beteiligten auf der Beurkundung, habe der Notar die Belehrung und die dazu abgegebenen Erklärungen der Beteiligten in der Niederschrift zu vermerken. Nach diesem Maßstab hätte B den K darüber belehren müssen, dass die Veräußerung eines Wohnungseigentumsrechts in der Wohnungseigentumsanlage X die Wohnungseigentümer oder der Verwalter, sofern einer vorhanden sei, zuzustimmen hätten.
  2. Es liege auch eine Veräußerung vor. Denn auch die Übertragung eines nur hälftigen Anteils an einem Wohnungseigentum sei zustimmungsbedürftig. Die vereinbarten Ausnahmen – Erstveräußerung oder Veräußerung an Ehegatten und Verwandte 1. Grades – lägen nicht vor. Der Erwerber sei als Bruder des Klägers kein Verwandter ersten, sondern zweiten Grades in Seitenlinie. Der Grad der Verwandtschaft richte sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten, § 1589 Satz 3 BGB.
  3. Das Unterlassen der Belehrung sei auch schuldhaft gewesen. B habe nach § 1 des Überlassungsvertrages in das Grundbuch gesehen. Im Grundbuch sei die Veräußerungsbeschränkung aber ausdrücklich eingetragen gewesen. Der Beklagte habe sie mithin übersehen oder sorgfaltswidrig nicht beachtet.
  4. B's Pflichtverletzungen seien für den Schaden auch ursächlich geworden. Die unterlassende Belehrung bei der Beurkundung habe die Einberufung der Versammlung verursacht. Aber auch der folgende Anfechtungsprozess und dessen Kosten wären nicht entstanden, wenn K nach Hinweis auf das Fehlen der Zustimmung nicht als dazu ermächtigter Wohnungseigentümer zu einer Versammlung eingeladen hätte und dort keine Beschlüsse, die später Gegenstand der Anfechtung gewesen seien, gefasst worden wären. Dass K nur deshalb zu der Versammlung eingeladen habe, weil er davon ausgegangen sei, erfolgreich die Stimmen seines Lagers vermehrt zu haben, liege a...

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