Leitsatz

Bei Geltung des Kopfstimmrechts entsteht ein neues Stimmrecht, wenn ein Wohnungseigentümer das Alleineigentum an einem von mehreren ihm gehörenden Wohnungseigentumsrechten auf eine von ihm beherrschte Personengesellschaft überträgt; die Personengesellschaft ist von der Ausübung ihres Stimmrechts nicht allgemein ausgeschlossen.

Ein Stimmrechtsausschluss wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens kommt nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen in Betracht; es reicht nicht aus, dass der mit den Stimmen eines Mehrheitseigentümers gefasste Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, oder dass ein Wohnungseigentümer aufgrund seines Stimmgewichts Beschlussfassungen blockiert, obwohl es ein Gebot ordnungsmäßiger Verwaltung wäre, einen positiven Beschluss zu fassen.

 

Normenkette

WEG § 25 Abs. 2 Satz 1

 

Das Problem

  1. In einer Wohnungseigentumsanlage gibt es 4 Wohnungseigentumsrechte. Es gilt das Kopfstimmrecht. Wohnungseigentümer K gehören 2 Wohnungseigentumsrechte. Eines der Wohnungseigentumsrechte veräußert er an die S. UG & Co. KG (im Folgenden: KG). Komplementärin ist die I. UG (haftungsbeschränkt), deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer K ist. Ferner ist K Kommanditist der S. UG & Co. KG.
  2. In der Versammlung vom 4. November 2015 beschließen die anderen beiden Wohnungseigentümer, dass die KG vom Stimmrecht ausgeschlossen ist. Sodann genehmigen sie gegen die Stimme des K die Abrechnung und bestellen einen Verwalter. Die dagegen gerichtete Klage des K weist das Amtsgericht ab. Das Landgericht weist auch die Berufung zurück. Die Stimme der KG sei zu Recht unberücksichtigt geblieben. Veräußere ein Wohnungseigentümer eines von mehreren Wohnungseigentumsrechten, entstehe ein neues Stimmrecht, wenn Veräußerer und Erwerber nicht personenidentisch seien. Formal betrachtet sei dies hier der Fall. Dieses Ergebnis widerspreche aber Sinn und Zweck des Kopfstimmrechts. Die Gesellschaft könne nämlich keinen eigenen Willen bilden. Vielmehr richte sich die Stimmabgabe einheitlich nach dem Willen des K. Infolgedessen seien K und die KG als ein "Kopf" anzusehen. Mit seiner Revision verfolgt K weiterhin das Ziel, die Beschlüsse für ungültig erklären zu lassen. Mit Erfolg!
 

Die Entscheidung

Anfechtungsbefugnis

K sei anfechtungsbefugt, obwohl nicht ihm, sondern der KG das Stimmrecht aberkannt worden ist. Denn jeder Wohnungseigentümer könne eine ordnungsmäßige Verwaltung verlangen und gerichtlich durchsetzen.

Stimmrecht der KG

  1. Die KG habe ein Stimmrecht. Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG habe jeder Wohnungseigentümer eine Stimme. Wohnungseigentümer sei derjenige, der im Einklang mit der materiellen Rechtslage im Wohnungsgrundbuch als Eigentümer eingetragen sei. Infolgedessen könne unter der Geltung des Kopfstimmrechts eine nachträgliche Vermehrung von Stimmrechten eintreten, wenn ein Eigentümer mehrere Wohnungseigentumsrechte halte und diese sukzessive veräußere.
  2. Umstritten und höchstrichterlich noch nicht geklärt sei zwar, ob ein neues Stimmrecht auch dann entstehe, wenn der Verkäufer anteilig Eigentümer des veräußerten Wohnungseigentums bleibe, weil er nur einen Bruchteil des Eigentums von Wohnungseigentumsrechten an einen Dritten veräußert. Diese Frage stelle sich im Fall aber auch nicht. Denn die KG habe durch die im Grundbuch vollzogene Eigentumsübertragung Alleineigentum erworben.

Allgemeiner Stimmrechtsausschluss

  1. Die KG sei von der Ausübung des entstandenen Stimmrechts auch nicht allgemein (also unabhängig von dem jeweiligen Beschlussgegenstand) ausgeschlossen. Das Stimmrecht gehöre zum Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte. Da es ein wesentliches Mittel zur Mitgestaltung der Gemeinschaftsangelegenheiten bilde, dürfe es nur ausnahmsweise und lediglich unter eng begrenzten Voraussetzungen eingeschränkt werden. § 25 Abs. 5 WEG sehe als Sondervorschrift zu § 181 BGB gerade keinen allgemeinen Stimmrechtsausschluss im Fall von Interessenkonflikten vor, sondern beschränke den Ausschluss des Stimmrechts auf bestimmte Fälle schwerwiegender Interessenkollisionen, in denen die – sonst legitime – Verfolgung privater Sonderinteressen bei der Willensbildung der Wohnungseigentümer nicht mehr hinnehmbar erscheine. Wie sich im Umkehrschluss aus § 25 Abs. 5 Alt. 3 WEG ergebe, ließen auch erhebliche Hausgeldrückstände das Stimmrecht nicht entfallen, solange der Wohnungseigentümer nicht gemäß § 18 WEG rechtskräftig zur Veräußerung seines Wohnungseigentums verurteilt sei. Selbst ein rechtsmissbräuchliches Verhalten könne allenfalls dazu führen, dass die Stimmabgabe bezogen auf die jeweilige Beschlussfassung unbeachtlich sei.
  2. Daran gemessen komme ein allgemeiner Stimmrechtsausschluss auch dann nicht in Betracht, wenn die konkrete Gefahr der Majorisierung durch einzelne Eigentümer bestehe. Insoweit machten die Beklagten geltend, K erlange durch das zusätzliche Stimmrecht der KG eine Blockadeposition, obwohl er seit Jahren freiwillig kein Hausgeld zahle und auch die KG seit der Eigentumsübertragung kein Hausgeld zahle. Ein solch...

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