Rz. 471

Ansprüche auf Gewinne (Dividenden) aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften sind im Allgemeinen erst dann zu aktivieren, wenn ein Gewinnverwendungsbeschluss der Kapitalgesellschaft vorliegt und hierdurch ein verfügbarer Rechtsanspruch auf einen Gewinnanteil in bestimmter Höhe endgültig begründet ist. Dies hat zur Folge, dass der Inhaber der Beteiligung den Gewinnanspruch regelmäßig zeitversetzt erst in der Bilanz des Geschäftsjahres (Wirtschaftsjahres) zu aktivieren hat, das dem Geschäftsjahr (Wirtschaftsjahr) der Kapitalgesellschaft nachfolgt.

Hiervon hat der BGH eine Ausnahme für den Fall gemacht, dass eine Konzern- oder Holding-Gesellschaft (AG) mit Mehrheit an einer anderen AG (Tochtergesellschaft) beteiligt ist: Die Obergesellschaft kann bei übereinstimmendem Geschäftsjahr den Gewinnausschüttungsanspruch zeitkongruent schon in dem Jahre ansetzen, für das ausgeschüttet wird; indessen muss der Jahresabschluss der Tochtergesellschaft noch vor Abschluss der Prüfung bei der Muttergesellschaft festgestellt werden und ein entsprechender Gewinnverwendungsbeschluss oder -vorschlag gemäß §§ 170 Abs. 2, 171 AktG vorliegen. Der BFH hat sich dieser Rechtsprechung für das Körperschaftsteuerrecht angeschlossen und sie auf Mehrheitsbeteiligungen außerhalb des Konzerns oder einer Holding und auf den Fall angewandt, dass die Tochtergesellschaft eine GmbH ist. Der BFH bestätigte diese Rechtsprechung.[1] Die Dividendenansprüche aus der Beteiligung an der Komplementär-GmbH sind daher "zeitkongruent" zu erfassen.

 

Rz. 472

Mit Beschluss v. 7.8.2000[2] gibt der Große Senat des BFH diese Rechtsprechung auf; hiernach kann eine Kapitalgesellschaft, die mehrheitlich an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, Dividendenansprüche aus einer am Bilanzstichtag noch nicht beschlossenen Gewinnverwendung der nachgeschalteten Gesellschaft grundsätzlich nicht aktivieren. Damit entfällt steuerlich grundsätzlich eine phasengleiche Aktivierung von Dividendenforderungen. Es ist allerdings denkbar, dass eine Dividendenforderung als wirtschaftlich verselbstständigtes Wirtschaftsgut nicht erst mit der Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses, sondern schon zu einem früheren Zeitpunkt entsteht. Daher kann ein beherrschender Gesellschafter Dividendenansprüche gegenüber der von ihm beherrschten Gesellschaft jedenfalls dann schon vor Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses ("phasengleich") aktivieren, wenn durch objektiv nachprüfbare Umstände belegt ist, dass er am maßgeblichen Bilanzstichtag unwiderruflich zur Ausschüttung eines bestimmten Betrags entschlossen war.[3]

[1] BFH, Urteil v. 8.3.1989, X R 9/86, BStBl 1989 II S. 714; BFH, Urteil v. 19.2.1991, VIII R 106/87, BStBl 1991 II S. 569.
[2] GrS 2/99, BStBl 2000 II S. 632. Die Finanzverwaltung hat mit koordiniertem Ländererlass v. 1.11.2000, IV A 6 – S – 2134 – 9/00, in einer Übergangsregelung die Anwendung der bisherigen Grundsätze zur phasengleichen Aktivierung von Dividendenansprüchen für alle offenen Fälle zugelassen, bei denen Gewinnausschüttungen, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr beruhen, noch den Regelungen des Anrechnungsverfahrens unterliegen. Das betrifft z. B. folgende Fälle: Gewinnverteilungsbeschluss im Kalenderwirtschaftsjahr 1997 für das Kalenderwirtschaftsjahr 1996, Gewinnverteilungsbeschluss im Kalenderwirtschaftsjahr 2001 für das Kalenderwirtschaftsjahr 2000, Gewinnverteilungsbeschluss im abweichenden Wirtschaftsjahr 1.2.2001-31.3.2002 für das abweichende Wirtschaftsjahr 1.4.2000-31.3.2001. Die Grundsätze der phasengleichen Aktivierung können jedoch z. B. in folgenden Fällen nicht mehr zugelassen werden: Gewinnverteilungsbeschluss im Kalenderwirtschaftsjahr 2002 für das Kalenderwirtschaftsjahr 2001, Gewinnverteilungsbeschluss im abweichenden Wirtschaftsjahr 1.10.2001-30.9.2002 für das Rumpfwirtschaftsjahr 1.1.2001-30.9.2001.
[3] BFH, Urteil v. 20.12.2000, I R 50/95, DB 2001 S. 734.

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