Rz. 795

Die "Mannesmann"-Entscheidung des BGH v. 21.12.2005[1] zu Aktiengesellschaften hat für die Praxis Klarheit darüber geschaffen, unter welchen Voraussetzungen bei der Aktiengesellschaf der Aufsichtsrat Vorstandsmitgliedern Anerkennungsprämien ("appreciation awards") gewähren darf – gleichzeitig aber auch neue Fragen aufgeworfen. Bei der Beantwortung der Frage, ob die Grundsätze dieser Entscheidung auf die GmbH Anwendung finden, ist danach zu differenzieren, (i) ob die nachträglichen Sonderzahlungen durch die Gesellschafterversammlung gewährt werden, (ii) in diesem Fall, ob Begünstigter ein ausscheidender Gesellschafter-Geschäftsführer oder ein ausscheidender Fremd-Geschäftsführer ist oder (iii) ob die nachträglichen Sonderzahlungen durch den Aufsichtsrat oder den Beirat gewährt werden:

 

Rz. 796

Gegenstand der Mannesmann-Entscheidung waren nachträgliche Sonderzahlungen, die das Präsidium des Aufsichtsrats der Mannesmann AG ausscheidendenVorstandsmitgliedern gewährt hatte. Die Besonderheit des Falles bestand im Folgenden: Die inkriminierten Sonderzahlungen betrafen in der Vergangenheit erbrachte Leistungen. Die Sonderzahlungen waren in den Dienstverträgen der Begünstigten nicht vorgesehen gewesen. Nach Auffassung des BGH ging von den Sonderzahlungen kein zukunftsbezogener Nutzen für die Gesellschaft aus. Bei dieser Sachlage kam eine – den Untreuetatbestand (§ 266 StGB) erfüllende – Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht der Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums der Mannesmann AG in Betracht; bei dem Vorstandsvorsitzenden kam Beihilfe zur Untreue in Betracht. In Bezug auf die GmbH können diese Straftatbestände nur Vorliegen, soweit der Aufsichtsrat (beschließender Beirat) oder ein anderes Gremium über die Zahlungen entscheidet. Beschließt die Gesellschafterversammlung über solche Zahlungen, ist der Tatbestand der Untreue nicht erfüllt; aber auch dann kann die Anerkennungsprämie einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen, wenn der betreffende Gesellschafterbeschluss nicht einstimmig gefasst wird und den anderen Gesellschaftern nicht ebenso ein entsprechender Vorteil eingeräumt wird.

 

Rz. 797

Für die GmbH-Praxis folgt aus dieser Entscheidung:

Strafrechtlich unproblematisch sind einstimmig von der Gesellschafterversammlung beschlossene nachträgliche Sonderzahlungen. Ist ein ausscheidender Gesellschafter-Geschäftsführer der Begünstigte, wird es sich steuerlich allerdings im Regelfall um eine verdeckte Gewinnausschüttung handeln. Gesellschaftsrechtlich wäre zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Rückgewähr von Einlagen vorliegen. Durch Mehrheitsbeschluss gewährte nachträgliche Sonderzahlungen zugunsten eines ausscheidenden Gesellschafter-Geschäftsführers dürften idR wegen Erlangens eines Sondervorteils anfechtbar sein.

Für von einem Aufsichtsrat oder Beirat beschlossene nachträgliche Sonderzahlungen gilt: Unproblematisch sind (nur) angemessene Geschäftsführervergütungen, die im Dienstvertrag dem Grunde und der Höhe nach vereinbart sind.[2] Ermessenstantiemen, also solche, die dem Grunde nach im Dienstvertrag vereinbart sind, deren Festlegung der Höhe nach aber ganz oder teilweise im Ermessen des Aufsichtsrats oder Beirates steht, sind ebenfalls grundsätzlich unproblematisch, da hierfür der Dienstvertrag die erforderliche Anspruchsgrundlage enthält.[3] Nach Auffassung des BGH hat der Aufsichtsrat bei der Bezifferung der Ermessenstantiemen einen weiten "Beurteilungs- und Ermessensspielraum". Dagegen ist jede von einem Aufsichtsrat oder Beirat nachträglich gewährte – also im Dienstvertrag nicht vorgesehene – Leistungsprämie unzulässig, wenn sie ausschließlich bereits erbrachte Dienste belohnt, ohne der Gesellschaft zukunftsbezogenen Nutzen zu bringen[4] (z. B. in Form einer Anreizwirkung dergestalt, dass sie entweder dem begünstigtenGeschäftsführungsmitglied selbst, anderen aktiven Geschäftsführungsmitgliedern oder potenziellen zukünftigen Führungskräften signalisiert, dass sich außergewöhnliche Leistungen lohnen[5]). Damit hat der BGH eine frühere Entscheidung des Reichsgerichts[6] revidiert, wonach "die Gewährung einer den Umständen nach angemessenen Vergütung an den Geschäftsführer…, selbst wenn sie erst nachträglich und ohne vorherige vertragliche Bindung erfolgt, durchaus im Einklang mit den Aufgaben des Aufsichtsrats" steht.[7]

 

Rz. 798

Ziff. 4.2.3, Abs. 4 DCGK empfiehlt, bei Abschluss von Vorstandsverträgen darauf zu achten, dass Zahlungen an ein Vorstandsmitglied bei vorzeitiger Beendigung der Vorstandstätigkeit einschließlich Nebenleistungen den Wert von zwei Jahresvergütungen nicht überschreiten (Abfindungs-Cap) und nicht mehr als die Restlaufzeit des Anstellungsvertrages vergüten. Außerdem sollen danach keine Zahlungen an das Vorstandsmitglied erfolgen, wenn "der Anstellungsvertrag aus einem von dem Vorstandsmitglied zu vertretenden wichtigen Grund beendet" wird.[8] Diese Empfehlung kann auch für die GmbH herangezogen werden.

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