Kurzbeschreibung

Der Mustertext enthält die häufigsten Fragen und Antworten zur Übertragung und Abgeltung von Urlaubsansprüchen unter Berücksichtigung der aktuellsten Rechtsprechung von EuGH und BAG zu diesem Thema.

Vorbemerkung

Nach der früheren Rechtsprechung des BAG erlosch der gesetzliche Urlaubsanspruch spätestens mit Ende des Übertragungszeitraums (31.3. des Folgejahrs) auch, wenn der Urlaub wegen einer fortdauernden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bis dahin nicht erfüllt werden konnte.

Heute vertritt die Rechtsprechung die Ansicht, dass Urlaubsansprüche, die wegen Krankheit innerhalb eines Bezugszeitraums (Kalenderjahr) oder bis zum Ende des Übertragungszeitraums im Folgejahr nicht genommen werden können, weiterbestehen und nicht verfallen.

§ 7 Abs. 3 BUrlG sei jedoch unionskonform so auszulegen sei, dass Urlaubsansprüche bei Langzeiterkrankung in jedem Fall 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfallen. Außerdem tritt ein übertragener Urlaubsanspruch im Folgejahr zu dem Urlaubsanspruch für das laufende Jahr hinzu und ist insoweit wie "normaler" Urlaub zu behandeln. Er unterliegt daher wiederum den normalen Verfallregelungen.[1]

Eine Ausnahme von dieser Verfallfrist von 15 Monaten kann allerdings für vertraglichen und tarifvertraglichen Mehrurlaub bestehen, da dieser individuell vertraglich geregelt werden kann.

Für die Praxis ergeben sich aus der Rechtsprechung eine Reihe von Praxisfolgen, von denen im Folgenden die wichtigsten dargestellt werden sollen.

FAQ zur Urlaubsübertragung bei Krankheit

1. Sind von der Rechtsprechung zur Urlaubsübertragung und -abgeltung bei Krankheit nur die gesetzlichen Urlaubsansprüche oder auch der arbeits- bzw. tarifvertraglich vereinbarte Mehrurlaub erfasst?

Urlaubsansprüche eines Arbeitnehmers werden gemäß § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) grundsätzlich nur dann auf das Folgejahr übertragen, wenn dringende betriebliche Gründe oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe (z. B. Krankheit) dies rechtfertigen. Der Urlaubsanspruch ist danach aber auch im Folgejahr befristet und erlischt regelmäßig, wenn der Arbeitnehmer diesen nicht bis zum 31.3. des Folgejahrs in Anspruch nimmt (sog. Übertragungszeitraum). Tarifverträge bzw. Arbeitsverträge sehen teilweise längere Übertragungszeiträume vor.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat unter europarechtskonformer Auslegung von § 7 Abs. 3 BUrlG aber entschieden, dass die gesetzlichen Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern, die wegen Erkrankung im Bezugs- und Übertragungszeitraums nicht erfüllt werden konnten, nicht "automatisch" nach Ende des Bezugs- oder Übertragungszeitraums verfallen, sondern bestehen bleiben. Solche Urlaubsansprüche treten zu dem "laufenden" Urlaubsanspruch hinzu und verfallen spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres endgültig und ohne Berücksichtigung der Arbeitsfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers.

Da die europäische Richtlinie, auf der diese BAG-Rechtsprechung basiert, nur den gesetzlichen Mindesturlaub (§ 3 Abs. 1 BUrlG) erfasst, kann arbeits- oder tarifvertraglich vereinbarter Mehrurlaub grundsätzlich weiterhin trotz Erkrankung verfallen. Das BAG hat klargestellt, dass die Arbeits- bzw. Tarifvertragsparteien den vertraglich vereinbarten und über den gesetzlichen Mindestanspruch hinausgehenden Urlaubsanspruch (inklusive eines entsprechenden Urlaubsabgeltungsanspruchs) frei regeln können, d. h. z. B. auch den Verfall des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs vereinbaren können. Eine solche Vereinbarung muss jedoch ausdrücklich getroffen sein und eine klare Trennung der verschiedenen Urlaubsansprüche aufweisen. In der Praxis stehen viele Arbeitgeber vor dem Problem, dass die bestehenden arbeits- oder tarifvertraglichen Regelungen - aufgrund der früheren Rechtslage - nicht zwischen dem gesetzlichen Urlaubsanspruch und einem zusätzlich gewährten Mehrurlaub unterscheiden. Für einen solchen "Unterscheidungswillen" müssen laut BAG aber deutliche Anhaltspunkte bestehen. Ohne eine solche deutliche, ausdrückliche Unterscheidung richtet sich die rechtliche Behandlung übergesetzlicher Urlaubsansprüche genau wie der gesetzliche Mindestanspruch nach dem BUrlG mit der Folge, dass wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht genommener Urlaub auch über den Übertragungszeitraum hinaus fortzuschreiben ist. Abhilfe schafft hier nur eine entsprechende Anpassung im Arbeits- und/oder Tarifvertrag (s. Frage 6).
2. Gilt die Rechtsprechung zur Urlaubsübertragung bei Krankheit auch für den gesetzlichen Zusatzurlaub für schwerbehinderte Arbeitnehmer (§ 208 SGB IX)?

Ja. Die Rechtsprechung des BAG gilt auch für den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Arbeitnehmer gemäß § 208 SGB IX.

Das BAG hat den Nichtverfall des gesetzlichen Zusatzurlaubs gemäß § 208 SGB IX ausdrücklich bejaht. Es hat darauf hingewiesen, dass der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Arbeitnehmer gem. § 208 SGB IX akzessorisch zum gesetzlichen Mindesturlaub nach dem BUrlG sei und daher nur unter denselben Voraussetzungen verfallen könne.

Insoweit sind auf den Zu...

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